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Gustav Friedrich Dinter

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Дата народження:
29.02.1760
Дата смерті:
29.05.1831
Додаткові імена:
Gustavs Frīdrihs Dinters, Gustav Friedrich Dinter
Категорії:
Богослов, Педагог, учитель
Кладовище:
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I. Die Kinderzeit

Gustav Friedrich Dinter war als der dritte Sohn eines wohlhabenden Rechtsgelehrten am 29. Februar 1760 in Borna, einem Städtchen in der Nähe von Leipzig geboren. Sein Vater war einer der lustigsten Männer seiner Zeit, und es war ihm eine Freude, seinen Sohn schon im Kindesalter zum Zeugen, ja zum Teilnehmer seiner oft sehr possierlichen Streiche zu machen. Der besorgten Mutter, welche fürchtete, die kindliche Ehrfurcht könne darunter leiden, antwortete er in des Kleinen Gegenwart: „ Der Junge muß sehen, wie ein ehrlicher Mann lustig sein kann.“ Dieses glückliche Temperament des Vaters hatte sich auf den Sohn vererbt. Von der Mutter hatte er etwas Sanftes und Enthusiastisches, über das er sich noch im Alter freute.
Als Dinter vier Jahre alt war, wurde für ihn eine Aufseherin genommen, die sich ganz mit ihm zu beschäftigen hatte, da die Eltern sehr gesellig lebten und viele Abende nicht zu Hause waren. Dieses Mädchen hieß Johanna Wiese. Sie war damals etwa fünfzehn Jahre alt und wurde im ganzen Hause die Wiesenhanne genannt. Sie ging sehr gut mit dem kleinen Gustav um und erfreute sich seiner zärtlichen Liebe. Ihretwegen bekam der Knabe die ersten und einzigen Schläge von seinem Vater. Er wurde bei Tisch gefragt, wen er am meisten lieb habe und antwortete:
„Zuerst den lieben Gott, danach meine Hanne, nachher Vater und Mutter.“
Dem Vater war das nicht recht; die Wiesenhanne sollte zuletzt genannt werden. Aber das Kind blieb bei seiner Meinung und rief beim wiederholten Befehl:
„Es ist aber nicht wahr.“
Der Vater sah dies als Ungehorsam an und strafte Gustav durch derbe Schläge. Trotzdem war dieser zu keiner anderen Aussage zu bewegen. Da nahm die Hanne ihn plötzlich auf die Arme, lief mit ihm zu ihrem Vater, einem verabschiedetem Unteroffizier, und blieb dort bis zum anderen Tage. Dinters Vater mußte inzwischen in Amtsgeschäften verreisen, und als er zurückgekehrt war, wurde der Sache nicht mehr gedacht. Dieses eine Mal abgerechnet, war er von einer unzerstörbaren Güte und Heiterkeit seinem Sohne gegenüber, und Dinter gedenkt in seiner Biographie mit anerkennender und verehrender Dankbarkeit seiner. Er liebte es, in seinen Kindern Mut und Geistesgegenwart zu entwickeln und stellte ihnen dazu oft unerwartete kleine Aufgaben. An den Geburtstagen der Eltern, wenn der große Freundeskreis versammelt war, mußten die Kinder zum Beispiel Glückwünsche aufsagen. Gustav war noch nicht Schulfähig, als er zu des Vater Geburtstag am 27. Dezember ein Gedicht deklamierte, das mit den Versen begann:
„Auch ich freue mich, daß Sie geboren worden Und uns der heilige Christ Sie heute aufs Neue schenkt Den Tod beschwöre ich, er soll Sie nicht ermorden!“
Blitz und Donner erschreckten ihn sehr; er zitterte und weinte dabei. Aber die Wiesenhanne wußte ihn in freundlicher Art von dieser Angst zu befreien. Sie erzählte ihm, wenn`s  blitzt, dann putzen die lieben Engelchen im Himmel die Lichter und werfen die Schnuppen auf die Erde. Und wenn`s donnert, dann sind die lieben Engelchen lustig und trommeln vor Freude im Himmel auf Tischen und Bänken. Sie erreichte damit ihr Ziel; das Kind verlor völlig seine Angst und freute sich von nun an über wenige Dinge so sehr, wie über das Donnern und Blitzen.
Ebenso lehrte sie bereits das vierjährige Kind lesen. Sie sagte zum Beispiel:
„Gustel, es regnet heute; wir müssen in der Stube bleiben. Wir wollen Abc spielen.“
Sie sagte vor und er sprach nach; so lernte er spielend die Buchstaben und spielend lesen. Als er sechs Jahre alt war, tobte er einmal sehr wild herum. Die Mutter berief ihn:
„Du bist auch gar zu wild!“ Der Knabe antwortete: „Mutter, das schadet nichts; der Herr Jesus ist ja ebenso wild gewesen.“
„Wer hat dir das gesagt?“ fragte die Mutter sehr verwundert. Gustav hatte seine beiden Brüder einen Choral singen hören mit der Schlußzeile:
„Dein Will, der ist der beste“, hatte das falsch verstanden und sagte nun fröhlich:
„Meiner Brüder haben das heute früh in der Schule gesungen  „ Dein Wilder ist der beste.“ Das ist doch niemand als der Herr Jesus.“
Es wirft ein helles Licht auf die seltsamen Verhältnisse jener Zeit, wenn wir hören, daß der zwölfjährige Knabe mit seinem jüngeren Bruder von einem Schornsteinfeger im Tanzen unterrichtet wurde. Derselbe Mann, der mit Besen und Leiter im russigen Anzug in den Ofenröhren und Schornsteinen seiner Berufpflicht nachkam, gab in Gesellschaftskleidung den Knaben und Mädchen der wohlhabenden Familien Tanzstunden. Der Vater war im übrigen sehr ängstlich in betreff jeder körperlichen Uebung. Klettern, baden, schwimmen war seinen Söhnen nicht gestattet. nicht einmal aufs Eis durften sie gehen, so daß ihre körperliche Gelenkigkeit und Geschicklichkeit nicht ausgebildet wurde.
In seiner Kinderzeit war Dinter trotz dieser ängstlichen, etwas verweichlichenden Erziehung stets gesund und hatte von größeren Krankheiten nur die Masern und die Pocken zu überstehen. Beide traten sehr leicht auf. Als Masernkranker besah sich der Dreijährige einmal im Spiegel und freute sich so sehr über sein Bild, daß er sagte: „Ach guter, lieber Gott, laß mir doch die schönen Masern! Ich sehe gar zu hübsch damit aus.“ Unter der verständigen Leitung seiner Hanne und inmitten des frohen und freimütigen Geistes, der sein Elternhaus durchwehte, verlebte Gustav Dinter eine schöne Kinderzeit. Hanne blieb auch später im Hause, übernahm die Küche und war ihrer Herrschaft über zwanzig Jahre ein treuer Hausgenosse. Dinter hat ihr immer ein freundliches Andenken bewahrt, hat sie später unterstützt und zuletzt auch ihr Begräbnis bezahlt.
Nachdem Dinter eine Reihe von Jahren zu Hause von Hauslehrern unterrichtet worden war, kam er auf die Fürstenschule zu Grimma, die früher sein Vater und dann ebenso seine Brüder besucht hatten. Der Abschied vom Elternhause, von Vater und Mutter, fiel dem Dreizehnjährigen schwer; aber die vielen neuen Eindrücke fesselten ihn bald, und die Vielseitigkeit des Unterrichts, wie die Freundlichkeit der Lehrer erleichterten ihm das Sichhineinfinden in die neuen Verhältnisse.
Im Alter von sechzehn Jahren verlor er den Gebrauch des rechten Ohres durch eine Entzündung desselben, und zwei Jahre später erkrankte er schwer an der roten Ruhr. Treulich sorgten in dieser Zeit seine Schulfreunde für ihn. Zwei von ihnen wachten in jeder Nacht an seinem Lager, bis die Gefahr vorüber war.
Dann wurde Dinter zu vollständigen Erholung für einige Wochen nach Hause geschickt. Es war dies die letzte frohe Zeit, die er mit der geliebten Mutter zusammen verbrachte. Sie kränkelte, schien sich dann aber wieder wohl zu fühlen und unbesorgt reiste Dinter am 2. Oktober nach Grimma zurück. Vier Tage darauf erhielt er die Nachricht, daß sie gestorben sei. Sein Schmerz war unbeschreiblich; er verlor in der Mutter die beste Freundin seiner Kindheit und Jugend; viele Jahre, in denen die älteren Brüder schon auswärts gewesen waren, hatte die Mutter sich ausschließlich ihm gewidmet, er hatte sein Gefühl seiner Seele vor ihr verborgen.
Wohl liebte und verehrte er den Vater; aber sein Verhältnis zur Mutter war ein ganz anderes gewesen, ein inniges Verstehen und Beieinandersein ihrer liebenden Herzen. Er konnte sich von diesem plötzlichen Schlag kaum erholen; eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich seiner und nur, wenn er in poetischer Prosa seinen Schmerz dem Papier anvertraute, fand er einige Erleichterung.
„Ich will nicht beschreiben,“ sagt Dinter, „wie mir zu Mute war. Nur wer eine solche Mutter hatte, würde mich verstehen.“
Als er nach dem Begräbnis in das Gymnasium zurückkehrte, war aus dem fröhlichen Knaben ein ernster Jüngling geworden. Der Vater hatte ihn zum Juristen bestimmt. Die Mutter hatte das gleiche gewünscht, und bis zu seinem fünfzehnten Jahre hatte auch der Knabe seinen anderen Gedanken über seine Zukunft gehabt. Allein die letzten Jahre in Grimma veranlaßten eine Änderung dieses Planes. Die große Neigung seines Wesens, Kinder zu lieben und zu lehren, trat schon im Verkehr mit den jüngeren Mitschülern zu Tage; außerdem lernte er mit einem fleißigen Altersgenossen, der später Theologie studieren wollte, hebräisch und interessierte sich ungemein für diese Sprache. Dazu  entzückten ihn die Predigten seines Geistlichen, des Archidiakonus Schindler, durch die Herzlichkeit des Tones, durch den Geist der Liebe, der sie beherrschte und durch den Einfluß ihrer Ideen auf seinen Geist.
So entschloß er sich, Prediger zu werden. Als er dieses nach Hause schrieb, lebte die Mutter noch, und beide Eltern waren wenig erfreut über diese Veränderung seines Zukunftsbildes. Aber der Vater beruhigte sich bald und damit auch die Mutter.
„Der Junge mag werden, zu was er Luft hat,“ sagte er. „Er muß gern tun, was er tut.“
Damit war die Frage endgültig erledigt. Im Jahre 1779 verließ Gustav Dinter die Anstalt in Grimma, um die Universität zu beziehen.

II. Studienjahre

Dinter nennt seine Studentenjahre die genußreichste Zeit seines Lebens. Er verlebte sie in Leipzig, frei von Sorgen, da der gütige Vater dem verständigen Sohne stets Geld schickte, sobald dieser es verlangte. In den ersten zwei Jahren überbürdete er sich fast mit Kollegbesuchen; er war sehr fleißig, denn er fand, daß er vieles in seinen Kenntnissen nachzuholen und zu ergänzen habe; alles dies aber tat er mit großer Freude.
Inmitten eines Kreises gleichgesinnter Freunde fühlte er sich zu allem Guten und Edlen angeregt. Aber auch mancher lustige Streich wurde gemacht und manches witzige Wort gesprochen, das noch im Alter in seiner Erinnerung lebte. Seine Sehnsucht, öffentlich zu predigen, wurde bereits im ersten Jahre seines Studentenlebens befriedigt; er trat für den Vater eines Freundes in Schwarzenburg ein.
Da er bereits auf dem Gymnasium daran gewöhnt war, öffentliche Reden zu halten, so kam keine Furcht in ihm auf. Seine Predigt gefiel allgemein, und er selbst war sehr befriedigt über diesen ersten Versuch in der Kirche. Die dritte Predigt, die er in Vertretung übernommen hatte, hielt er in Borna, seiner Vaterstadt, wehmütig der geliebten Mutter gedenkend, die den Sohn nicht mehr hören konnte.
Im Ganzen hat er als Student sechzehn Mal und in den fünf Jahren seines Kandidatenlebens vierundsiebzig Mal gepredigt, so daß später seine Probepredigt in Kitscher die einundneunzigste war die er hielt.
Zuerst hatte Dinter daran gedacht, sich für eine Professur vorzubereiten. Da trat etwas ein, das für sein ganzes Leben von einschneidender Bedeutung wurde. Er lernte eine Waise kennen, Friederike Peck, die Tochter eines verstorbenen Pfarrers. Die Unbefangenheit und Unschuld ihres Wesens fesselten sein Herz vom ersten Tage ihrer Bekanntschaft, und er war sich bald darüber klar, daß sie die ihm bestimmte Lebensgefährtin wäre. Ohne eine eigentliche Liebeserklärung und Verlobung wußten beide was sie einander waren; sie wechselten Briefe und er besuchte sie in ihrer ärmlichen Umgebung und lernte von ihr das Spitzenklöppeln, um mit ihr zusammen zu sein. Zu einem Freund sagte er: „Versprechen werde ich ihr meine Hand nicht. Aber sie kann auf mich rechnen.“ Und auch sie gab demselben Freund ihr Wort, dem Geliebten unverbrüchlich treu zu bleiben.
Der Wunsch, Friederike bald ihren kümmerlichen Verhältnissen zu entreißen und sie in eine andere, für sie passendere Umgebung zu bringen, veranlaßte Dinter, die Professorenlaufbahn aufzugeben und seine wünsche auf eine Pfarrstelle zu richten. Sie sollte ihm eine baldige Heirat ermöglichen. Aber bevor er dieses Ziel erreicht hatte, starb Friederike schnell und unerwartet. Eine Viertelstunde vor ihrem Tode war sie noch ganz wohl. Dann bat sie plötzlich die Mutter um etwas Tee, und als diese ihn ihr hereinbrachte, fand sie die Tochter tot auf dem Bette. Dieser Todesfall erschütterte den Jüngling tief. In der Heftigkeit seines Schmerzes beschloß er, niemals eine Andere zu heiraten.
Er verzichtete damit auf ein volles Lebensglück und hat es im Alter schmerzlich eingestehen, welche Torheit dieser Entschluß war. Aber damals erfüllte nur der Gedanke, dass er der Geliebten die Treue halten wollte, und seine Liebe war zu tief, sein Schmerz zu leidenschaftlich für lange Jahre, als dass es ihm schwer geworden wäre, sein sich selbst gegebenes Versprechen zu halten.
Auch das Theater vermied er nach Friederikens Tod. Und doch hatte ihn von jeher eine starke Liebe dafür beseelt, ihn, der in seinen Kinderjahren und auch in der Schulzeit nie etwas auch nur einigermaßen Erträgliches von Schauspiel gesehen hatte. Alle Begeisterung war jetzt dahin; die Luftspiele waren ihm lästig, die Trauerspiele regten ihn auf und ließen ihn sein Leid mit neuer Heftigkeit empfinden.
Er hat in Dresden noch zweimal, später in Königsberg nie mehr ein Schauspiel gesehen, trotzdem er der Ansicht war, daß ein häufiger Besuch des Theaters zu guten Stücken auch für Theologen sehr nützlich sei. Mit der Neigung für das Theater war im Anfang seiner Studentenzeit auch der Wunsch in ihm erwacht, in der Musik etwas zu leisten, und er bat einen Freund, ihn im Klavierspiel zu unterweisen. Obwohl sie sich beide große Mühe gaben, wurde doch kein rechter Erfolg erzielt; auch fehlte die Zeit zum Üben, und von dem Jahre 1797 an, das Dinter außerordentlich viel Arbeit brachte, blieb die Sache zu seinem großen Bedauern ganz liegen.
Nachdem Dinter im letzten halben Jahre seiner Studentenzeit in Leipzig Magister der freien Künste und Doktor der Philosophie geworden war, machte er am Schluß seiner vorschriftsmäßigen Vorbereitungszeit das Examen als Candidatus Ministerii in Dresden. In der Familie des Kammerherrn von Pöllnitz einem Bekannten seines Vaters, nahm Dinter zunächst eine Hauslehrerstelle an. Diese befriedigte ihn wenig, trotz der vortrefflichen Menschen, mit denen er zusammenlebte. Er hatte sich für seinen Schüler ein zu hohes Ziel gesteckt, das dieser nach seinen Anlagen nicht erreichen konnte. Es zeigte sich bei den Wiederholungen, daß der Knabe das Erlernte vergessen hatte, und erst später sah Dinter ein, daß er viel zu schnell vorwärts gegangen war.
Da Dinter ein sehr leidenschaftliches Temperament hatte und leicht sehr heftig wurde, so kostete es ihn große Mühe, sich in den Unterrichtsstunden zu beherrschen. Er gewöhnte sich daran, sobald er sich ärgerte, in den Ballen des rechten Daumes hineinzubeißen, und dies geschah so oft und so stark, daß dadurch eine harte Haut entstand, die er erst in späterer Zeit verlor, als er schon als Pfarrer angestellt war. Aber auch mit diesem Mittel gelang es ihm nicht immer, ruhig zu bleiben, und er Knabe hatte viel unter der Heftigkeit seines Lehrers zu leiden. Trotzdem liebte er ihn herzlich, und auch die Eltern verziehen Dinter diese Heftigkeit, da sie sahen, wie gut er es mit ihrem Kinde meinte.
Außerhalb der Stunden waren Lehrer und Schüler die besten Freunde; aber erst, als der Schüler älter wurde und Dinters Herz durch den Tod seiner Friederike so hart getroffen war, änderte sich ihr Verhältnis zu einander insofern, daß Dinter seiner Heftigkeit nun eher Herr werden konnte. Wohl in Erinnerung der schweren Stunden, in denen sein Zorn mächtiger war als seine Liebe und in der Erkenntnis, daß doch der Erziehung ganzes Wirken einbegriffen sei nur in der Liebe, als Führerin, schrieb er später das Gedicht „Lehrerzorn“. Es zeigte seine Auffassung von der Notwendigkeit der Liebe als der wichtigsten Eigenschaft des Erziehers und soll daher hier seine Stelle finden.

Lehrerzorn
Da stürmen sie, wie brausende Orkane,
Die Leidenschaft durch einander hin.
Hinabgestürzt, hinabgeschleudert bebt sie,
Die Seele, kennt nicht Gott, nicht Pflicht, nicht sich.
Nur ihren Punkt, auf den sie hingeheftet,
Mit Adlersgierde hingeheftet, starrt.
Dir glüht das Antlitz, bebt die Stirne, Tropfen,
Erpreßt von Wut, beträufeln Stirn und Haar.
Fast fluchst du, daß die Welt dem Kern nicht gleiche,
Den knirschend deines Fußes Tritt zermalmt.
Und das bist du, Geliebter Gottes?
Du Sohn der Pflicht, du, sonst ein Menschenfreund!
Kaum kenn` ich dich, du, dem in ruh´ger Stunde
Das fromme Herz beim Käfermord schon schlug.
Du kannst ein Kind, ein Kind tyrannisieren,
Für das doch Freundesliebe, Vaterliebe
In deinem Herzen wallt und wallen soll?
Was ist´s denn nun, das dich so sehr ereifert?
Das, Funk im Pulverturm, das Herz dir sprengt?
Ist´s Korsentrotz, den du zu treten eiferst?
Das nicht! Ist´s Rattengift? Das nicht! Das nicht –
Der Fehler eines Knaben, der zu neu für Welt
Und sich, Gedanken seiner Seele
Noch freilich nicht mit Männerwage wägt.
Siehst du ihn leben, weinen, wanken, sinken,
Den du sonst ungeheuchelt Liebling nennst?
Der heiß dich liebend, ganz sich dir ergebend
An den Busen ruht und ruhen sollt? –
Sein Gott warst du und willst sein Teufel werden,
Der seiner Kindheit wild zerzaust?
Wenn´s frommte, wohl! Doch so? Geh, schilt die
Um ihren Gang ereifre möglichst dich! [Schnecke
Wirst du des Adlers Fittich ihr verleihn?
Sie könnte, meinest du, doch emf´ger klimmen,
Und seltner ruhn und seltner fallen? Höre mich;
Du Weiser oder Stolzer, wer bist du?
Gabst du die Federkraft des Hirns, dich so zu brüsten,
Gabst du des Geistes hellern Blick dir selbst?

Tyrann, der du so schnell die Strauchler richtest
Hast du denn ohne Straucheln geh´n gelernt?
Erbarme dich dein selbst? Denn fühlst du nicht,
Daß jede Stunde diesen tollen Eifers
Dir eine Woche deines Hierseins raubt?
Daß diese Glut die zartgewebten Fäden
Des morschen Lebens furchtbar dir versengt.
Ist doch dein Pfad kaum Räumlein einer Spanne;
Und diesen kleinen Raums welch einen Teil
Verkürzest du! Sollst du dein Mörder werden?
„Das nicht! Doch kann man schweigen? Nein!“
Sei Arzt,
Sei strenger Arzt; doch schone deines Kranken,
Daß dein Pfleg´er ferner sich vertraut.
Du weinst, du willst? Die Scham entglüht der Wange?
„ Ich kann nicht! Ach, ich sollte! Doch umsonst!
Wer dämpft die Flammenglut in seinem Busen?
Wer stillt das Toben wilder Leidenschaft?“
Wer? – Gott und du!
Entschluß, Gebt, Betrachtung!
Geh, sprich mit dir, mit deiner Pflicht, mit Gott!
Geh, sammle dich; schwör´s in der MenschheitsHainen,
Schwör`s bei der Gottheit heiligem Altar:
Mein Herz sei Sanftmut, Herr, mein Wirken, Liebe,
Mein Strafen selbst seinneuer Segen Duell.
Dann auf! und ring als Schrift, als Held, als
Weiser
Du kannst, sobald du willst und ernstlich willst.
Und kannst du`s nicht, dann Schwacher eile, wähle!
Sei, was du willst, nur sei nicht Pädagog!

Dinters Interesse an den Menschen um ihn her war zu jeder Zeit ein großes; er beobachtete aufmerksam die Pfarrer, die Schullehrer, das Volk, die Jugend, die Kinder und fand überall Lehrreiches und Scherzhaftes. Er hielt jederzeit den wissenschaftlichen Kenntnissen gegenüber viel von dem, was das lebendige Leben den Einzelnen lehrt; so sah er nicht nur die Schwachen und die Vortrefflichkeiten anderer, sondern ließ sich auch durch die ersteren waren und nahm die letzteren zum nachahmenswerten Beispiel.
Vor allem liebte er das Volk und fühlte sich in seinem Umgangé glücklich. Er konnte schon damals nicht leicht an jemand vorübergehn, ohne mit ihm ein Gespräch anzufangen und freute sich, wenn auf seine oft scherzhaften Fragen von Groß und Klein ihm in derselben Art geantwortet wurde. So lernte er schon in seiner Hauslehrerzeit das Volk von Grund auf kennen und verstehen. Und wie er ihm mit warmem Herzen Entgegenkam, so wurde er auch wiedergeliebt, oftmals voll Vertrauen um Rat gefragt, und seine Predigten fanden stets viele Zuhörer.
Im September 1787 legte er seine Hauslehrerstelle nieder, denn sein lebhaftester Herzens-wunsch erfüllte sich. Er wurde zum Pfarrsubstituten in Kitzscher ernannt. Die Stelle war gut, und der alte Pfarrer sorgte in wirtschaftlicher Beziehung für ihn und nahm ihn an seinen Tisch. Da war Dinter sehr lieb; er hätte ratlos den Anforderungen eines Haushalts gegenübergestanden, nachdem die Frau, um deretwillen er diese Laufbahn erwählt hatte, ihm durch den Tod genommen war und er keine andere an ihre Stelle als Hausfrau setzen wollte.
Dinter ist zweimal Pfarrer gewesen, zehn Jahre in Kitzscher von 1787 bis 1797 und später noch von 1807 bis 1816 in Görnitz. Von hier aus wurde er dann nach Königsberg berufen. Er hat sich befriedigt und glücklich in seiner Stellung als Pfarrer gefühlt, als Freund und väterlicher Berater seiner Gemeinde und hat beide Mal sein Amt nur deshalb niedergelegt, weil sich seinem Wirken ein größerer Kreis eröffnete und er es für seine Pflicht hielt, dieser von ihm geforderten neuen, schweren Aufgabe nachzukommen.

Dinter als Pfarrer

Das Predigen war für Dinter eine Pflicht, die er von Herzen gern übte. Trotz der vielen Anforderungen, die in dieser Hinsicht an ihn gestellt wurden, hielt er keine Predigt unvorbereitet; in den ersten Jahren lernte er sie auswendig, und reichte die Zeit nicht dazu, so machte er sich wenigstens eine feste Disposition. Licht, Kraft und Innigkeit, diese drei wollte er in allen zu Wort kommen lassen.
Ihm schwebte immer Gedanke vor Augen, „ der Handwerker und der Landmann, sie haben wöchentlich nur diese eine Stunde, in der etwas für die Fortbildung ihres Verstandes, ihres Willens, ihres Gefühls absichtlich getan wird. Pfarrer, wenn du ihnen diese entziehst, es ist grausam. Wenn du nicht alles tust, um sie ihnen so nützlich als möglich zu machen, es ist gewissenlos.“ Jesu Bergpredigt und Pauli Rede in Athen waren von jeher sein Ideal, denn schon als Hauslehrer hatte er immer über die praktische Nutzanwendung der Religion für das Leben nachgedacht. „Beide Männer“, schreibt er, „ philosophieren da nicht über das Unbegreifliche. Sie vereinigen Licht, Kraft, Innigkeit. So mußt du es auch machen.“ Die eigentliche Volkssprache bei dem Predigen lernte er bei seiner Magd Christine, die ihm nach dem Tode des alten Pfarrers die Wirtschaft führte. Er las ihr oft ganze Stellen aus der Predigt vor und ließ sich von ihr sagen, was sie verstanden und was sie nicht verstanden hatte.
Aber er sprach auch mit seinen Bauern darüber und gewöhnte sich dabei an ihre Ausdrucksweise, wie sie sich an die seinige. Allerdings erhielt er bei solchen gemütlichen Reden auch manchmal recht unerwartete Antworten; aber er hatte einen stark ausgeprägten Sinn für das Fröhliche, fand es heraus und freute sich darüber. Es kam zum Beispiel häufig vor, wenn nach einer Disposition predigte, daß er Zeit und Stunden vegaß und die Rede recht lange dauerte. Da sagte einmal ein Bauer scherzend zu ihm:
„Ich wollte nur, daß unser Herr Pfarrer ein paar Finger erfröre.“
„Das ist ein christlicher Wunsch, mein Freund!“
erwiderte dinter. „Woher dieser?“
„Dann würden Sie doch wissen,“ sagte der Bauer, „wie sehr wir frieren, wenn Sie so lange predigen.“
In späterer Zeit sprach Dinter in der Schule einmal über die Geschmeidigkeit der Muskeln. Um die Sache anschaulich zu machen, sagte er: „Seht, zu jedem Buchstaben, den ich ausspreche, gehört eine besondere Muskelbewegung. Wie viel tausende Muskelbewegungen müssen dazu gehören, wenn ich eine Stunde auf der Kanzel predige.“ Ein Schüler meldet sich. „ Sie haben sich versprochen, Herr Pfarrer. Anderhalb Stunden wollten Sie sagen.“
Die Bauern in Kitzscher liebten ihren Pfarrer mit seiner allzeit frischen Art, seiner Teilnahme für ihre Tagesarbeit, seiner warmen Liebe für ihre Kinder. Sie vertrauten ihm und folgten ihm gern. Als zur Zeit der französischen Revolution auch unklare, unzufriedene Gedanken durch die Gemeinde in Kitzscher schwirrten und die Bauern unruhiger wurden, schloß Dinter eine Predigt mit den Worten: „ Ob nach dreißig Jahren in Dresden ein Kurfürst regieren wird oder dreihundert Landesherren, das wißt Ihr nicht. Ich weiß es auch nicht. Aber das weiß ich, es mag dann in Dresden ein Kurfürst regieren oder dreihundert Landesherren, so bleibt für euch Bauern in Kitzscher dreierlei: „Ihr müßt dreschen, Ihr müsst geben, Ihr müßt folgen bis ans Ende der Welt. Amen.“
Dinters Predigt half; die Bauern sahen die Richtigkeit seiner Worte ein. Noch nach Jahren wurden sie von ihnen wiederholt. „Was hilft uns denn alles Tumultuieren? Wir müßen doch dreschen, geben, folgen bis ans Ende der Welt. Amen.“ In seinem Pfarramt in Kitzscher waren Dinter zwei Schulen unterstellt, in denen er den Religions- und den Rechenunterricht selbst übernahm. Dieser Unterricht, diese regelmäßige Beschäftigung mit der Jugend war ihm eine große Freude. Das Hauptspiel seiner Bemühungen war, die Kinder sollten denken, sprechen, fühlen, frei und fröhlich sein. „Viel und vielerlei wissende Bauern“, schreibt er, habe ich damals erzogen, niemals erziehen wollen, wohl aber gebildete Menschen, das Praktische klar erkennende Schriften.“
Unter den vier Lehrern seiner beiden Schulen waren zwei derselben Schneider. Der eine bat Dinter einmal, er möchte doch zum Revidieren der Schule einige halbe Tage in der Feiertagswoche benutzen. Auf die Frage Dinters, warum gerade diese Tage gewählt werden sollen, antwortete der Lehrer: „Ich habe jetzt als Schneider so gar viele Arbeit zu den Feiertagen. Wenn Sie nun kommen, so ist die schule gut versorgt, und ich kann nähen und Ihnen zuhören.“
Dinter erkannte bald, daß zur Hebung der Schulen zuerst die Hebung des Lehrerstandes durch die Ausbildung tüchtiger Seminaristen anzustreben sei. Schon als Substitut hatte er sich daher viel auf seiner Stube mit der Bildung heranreifender begabter Jünglinge beschäftigt; als Pfarrer tat er dies in noch ausgedehnterem Maße. Diese Bestrebungen legten den Grund zu der Aufmerksamkeit, die ihm später von Seiten der Regierung zu teil wurden und zu den Berufungen in größere Wirkungskreise. In den Unterrichtsstunden, in denen nur gesprochen, nicht geschrieben wurde, beschäftigte Dinter seine Hände mit Federnreißen. Er hatte dazu drei Gefäße vor sich, eins mit den ungerissenen Federn, eins zu den gerissenen, das dritte zu den Federstielen.
Kam jemand zu ihm, so war es umständlich, die drei Töpfchen an die Seite zu schafen. Er begrüßte es daher mit Freuden, daß einer seiner jungen Schüler das Stricken verstand und es ihn lehrte. Seitdem zog Dinter in den Stunden das Stricken dem Federnreißen vor; er war darin sehr fleißig, und alle Strümpfe, die in seinem Hause getragen wurden, waren von ihm gestrickt worden.
Erst als er nach Königsberg als königlicher Schul- und Konsistorialrat kam, stellte er diese Beschäftigung als nicht ganz zu seiner Stellung passend ein, um den neuen Landsleuten keinen Anlaß zur Verwunderung zu geben.
Dinters Konfirmandenunterricht hätte man eher Unterredungen eines väterlichen Freundes mit seinen Kindern nennen können, als eine schulgemäße Unterweisung.
Beim Eintritt in die ernsteren Verhältnisse der reiferen Jahre wurde diesen jungen Kindern von Dinter die Religion Jesu mit ihren Nutzanwendung auf das Leben als Führerin mitgegeben. Den Abend des Konfitmationstages brachten die Kinder stets bei ihm zu in vertrautem Gespräch über ihr Vergangenheit, wie über die vor ihnen liegende Zukunft. Jedes von ihnen mußte sich in ein Stammbuch einschreiben. Dabei ereignete sich einmal folgende Tatsache:  Ein vater- und mutterloser Knabe schrieb ein : „Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf.“ Danach fiel er Dinter um den Hals und rief weinend: „Und der Herr Pfarrer, mein zweiter Vater, verlässt mich auch nicht.“ Das war eine tiefe Herzensfreude für den liebwarmen Lehrer, und mit recht nennt er solche Scenen „Seligkeit des Pfarrlebens.“
Er verdiente aber auch solche Seligkeit. Niemals wollte er von der Gemeinde als der Hohepriester Aaron angestaunt werden, er wollte viel liebe als Vater Dinter geliebt werden. So besuchte er die Bauern, reiche und arme; keiner hatte vor dem anderen einen Vorzug; nur die schlechtem Rufe standen, die besuchte er nicht.
Er sprach mit ihnen über ihre täglichen Sorgen und Freuden, hatte Einfluß auf ihre Kindererziehung und vermochte viel über sie. Ihre Kinder nahm er auf seine Kniee, scherzte und spielte mit ihnen, und sie hatten ihn schon lieb, ehe sie zu ihm in die Schule kamen. In gemütlicher Unterhaltung konnte er die Eltern über mancherlei aufklären und belehren.
Damals herrschte noch viel Aberglaube und Teufelsglaube in dem Volke; zum Beispiel waren am ersten Mai morgens früh an vielen Häusern und Kuhställen Kreuze angemalt als Schutz gegen Frau Holle, die in dieser Nacht auf den Brocken reisen sollte. Ohne ein Wort des Tadels erzählte Dinter überall, wo diese Zeichen angebracht gewesen waren, und er erreichte dadurch, daß die Betreffenden sich ihres Aberglauben schämten und diese Gewohnheit bald unterließen. Seine Bauernkinder machten der Erziehung Dinters alle Ehre. Sie wurden ordentliche Hausväter, treue Untertanen, gute Menschen und besuchten gern den Gottesdienst in der Kirche.
In seinem Hause hatte Dinter manche wirtschaftliche Unannehmlichkeit zu bestehen, die ihn die treu sorgende Hausfrau sehr vermissen ließ. Seine Christine Bauer, die ihm sechs und ein halbes Jahr die Wirtschaft führte, war zwar eine anständige und ehrliche Person; auch hatte sie selbst einiges Vermögen und war daher mit mäßigen Lohn zufrieden. Aber sie liebte es nicht, Gäste im Hause zu haben, und so vortrefflich sie ihren Herrn Pfarrer verpflegte, so heftig widerstrebte es ihr, seine Besucher zu bewirten. Sie ärgerte sich über die gastfreie Aufnahme, die Dinters gute Bekannten allzeit bei ihm fanden und zeigte ihren Unwillen deutlich. Der Hausherr ließ sich das lange gefallen, da er Christines sonstige gute Eigenschaften wohl zu schätzen wußte. Als sie aber einmal seine Freunde mit der Frage empfing, was sie denn schon wieder wollten? Ob sie keinen Kaffee zu Hause hätten, daß sie ihn wieder hier trinken wollten? da war es ihm zu arg, und er entließ sie.
Ihre Nachfolgerin war in allem das Gegenteil der ordentlichen, zuverlässigen Christine. Dinter litt schwer unter ihrer Wirtschaftsführung und so begrüßte er es mit Freuden als er 1797 nach Dresden berufen wurde und dadurch aus diesen unerquicklichen, häuslichen Verhältnissen hinaus kam.

Im Seminar zu Dresden

Die Hauptveranlassung zu seiner Versetzung nach Dresden waren seine Zöglinge, die er in seinem Hause zu künftigen Lehrern heranbildete. Er lebte mit ihnen wie ein Vater mit seinen Kindern, machte Reisen mit ihnen in andere Städte und verschaffte ihnen durch neue Eindrücke, durch die Kenntnis von fremden Verhältnissen und Einrichtungen viele lehrreiche Stunden.
Zu Hause mußten die Anfänger auf seiner Stube, die Geübtern in der Schule unter seiner Aufsicht Besuche im Unterricht machen. Er war sich schon früh dessen bewußt, daß es bei dem Schullehrer weniger auf die Masse des Wissens ankommt, als vielmehr auf die Gründlichkeit desselben und auf den deutlichen und lebendigen Vortrag. Darauf hielt er ganz besonders. Selbstverständlich hatte er viel Mühe und Arbeit mit den jungen Leuten, die neben seiner reichhaltigen Amtstätigkeit noch viele Stunden seiner Kraft in Anspruch nahmen; aber wie ihm zu jeder Zeit Erziehen und Unterrichten eine Freude war, so ging auch hier alles in fröhlicher Stimmung vor sich und regte Schüler und Lehrer in gleicher Weise fördernd an.
Die jungen Leute waren bald als Lehrer gesucht und bekamen Stellen, oft zeitiger, als Dinter es wünschte. Sie zeichneten sich durch Tüchtigkeit aus und andere hoffnungsvolle Jünglinge drängten sich zu und baten ihn, sie auch aufzunehmen und zu unterweisen. Seine Schulen machten Aufsehen. Manche Edelleute schickten ihre Schullehrer zu ihm, daß sie von ihm lernen sollten, wie eine Schule einzurichten sei; in Westfalen waren später die Schulen Dinters als Musterschulen bekannt. In einem öffentlichen Blatte stand eines Tages eine Mitteilung über Dinters verdienstvolle Tätigkeit; sie schloß mit der Frage, warum das Vaterland diesen Mann nicht bei seinem uneigennützigen Werke unterstütze oder ihn dafür belohne.
Dinter ärgerte sich darüber und erklärte in demselben Blatte, er verbäte es sich, daß andere beim Publikum für ihn bettelten. Was er täte, würde er auch gerne weiter umsonst, ohne Unterstützung tun. Zu seiner Überraschung meldete sich ein Graf von Hohenthal als der Verfasser jenes Artikels; er habe beabsichtigt Dinter damit nützlich zu werden. Nicht lange darauf erhielt Dinter einen Brief des Oberhofpredigers Reinhard aus Dresden. Man habe gehört, schrieb dieser, daß die von Dinter gebildeten Schullehrer sich auszeichneten und wolle ihm daher ihm daher die Stelle des Direktors am Schullehrerseminar zu Friedrichstadt anvertrauen.
Dinter wünschte, zuerst die Leitung der Anstalt kennen zu lernen; er wohnte daher einer Lektion bei. Sein Erstaunen beim Anhören derselben war groß. Ein Seminarist katechisierte über den Spruch: „Ich bin das Licht der Welt.“ Um dien Sache deutlicher zu machen, fragte er, ob Jesus ein Talglicht oder ein Wachslicht gewesen sei! - Der Lehrer der zum Seminar gehörigen Schule machte es noch ärger. Er sprach davon, daß Gott im Himmel sei und fragte, ob Gott nicht auch einmal vom Himmel herunterfallen und Arme und Beine brechen könne. So war das Resultat Dinters Prüfung der Zustände ein trübes.
Allein die Worte: „ Je größer die Schwierigkeiten, desto größer die Freude des Sieges“, zeigen die Arbeitslust und den Mut des siebenunddreißigjährigen Mannes. Das neue Amt in Dresden bot ihm zweihundert und fünfzig Taler jährlich weniger, als die Pfarrstelle in Kitzscher und dafür das doppelte so viel Arbeit.
Er hatte zweiunddreißig Stunden wöchentlich im Seminar und der Uebungsschule zu geben, die Auffsicht über fünf Schulklassen und über die Spinnanstalt, die mit der Armenschule zusammenhing, und von Weihnachten bis Palmsonntag Konfirmandenunterricht zu erteilen.
Er fand es später notwenig, die praktischen Uebungsstunden für die Seminaristen zu vermehren, und so war bei ihm der Tag die eigenen Präparationen mit eingerechnet, bis sieben Uhr Abends fast ganz besetzt. Aber seine Arbeitskraft war riesig. Noch in seinem neunundsechzigsten Jahre arbeitete er in den meisten Wochen dreiundachzig Stunden, nie unter dreiundsiebzig , und er hat oft gesagt, daß er dies nicht hätte tun können, wenn er es sich nicht in Dresden durch den Zwang der Verhältnisse hätte aneignen müssen.
Mit schwerem Herzen riß Dinter sich von Kitscher los, und schweren Herzens nur ließ seine Gemeinde ihn ziehen. Alles um ihn her liebte ihn, war ihm bekannt und vertraut; die Gräber seiner Lieben hatte er in der Nähe, Erinnerungstätten seines Lebens bis zur Kinderzeit zurück stets vor seinen Augen.
In Dresden erwarteten ihn fremde Verhältnisse und fremde Menschen. Aber der heiße Wunsch, ändern, besser zu können, schwellte sein Herz und ließ ihn vor der Trennung nicht zurückschrecken. Drei seiner Zöglinge, die seine Hausgenossen waren, nahm er mit. Sie freuten sich, daß sie nach Dresden kommen durften und heiterten ihn unterwegs durch ihre Fröhlichkeit auf, wenn ihm doch bange werden wollte. Sie blieben auch an ihrem neuen Aufenthaltsort unter seiner Aufsicht; zwei von ihnen erhielten kurfürstliche Koststellen, der dritte wurde von Dinter selbst beköstigt.
Am 21. Oktober 1797 führte der sächsische Oberhofsprediger Reinhard den neu ernannten Direktor Dinter in das Dresdener Schullehrerseminar zu Friedrichstadt ein mit den Worten: „ Ich übergebe Ihnen ein todkrankes Kind. Versuchen Sie, ob Sie es zum Leben bringen können.“ Und Dinter versuchte es.
Zwar sein Amt war schwer und schien ihn zu Anfang mit seinen Forderungen erdrücken zu wollen. Aber der Tüchtige wehrte sich mutig dagegen., und sein praktisches Geschick half ihm, in kurzer Zeit Wandel zum Bessern zu schaffen. Seine Wohnung bestand nur aus zwei Stuben und zwei Kammern; aber alles war gemütlich, die Lage des Hauses freundlich. Allerdings hatte er vor sieben Uhr abends keine Zeit für sich frei; aber dann, wenn der arbeitsvoller Tag vorbei war, dann setzte er sich in seiner Stube hin und spielte mit den Kindern. Er erzählte ihnen Geschichten, lehrte sie frohe Spiele, lehrte sie lachen. Fröhlichen Umgang mit den Kindern konnten seine Seminaristen von ihm lernen.
Er war selbst froh und machte Andere froh. In seiner Methode blieb er dem früheren Grundsatze treu: Nicht die Menge der Kenntnisse macht den Mann, sondern die Klarheit, Bestimmtheit, Gewandtheit im Vortragen. Nicht darauf kommt es an, wie viel  in jeder Stunde durchgenommen wird, sondern daß das Gelehrte verstanden und fest aufgenommen wird.
Seine Seminaristen behandelte er nicht wie Knaben, sondern er sah in ihnen künftige Lehrer. Es gab für sie keine Strafen, am allerwenigsten Schläge.“ Entweder tun sie gut“ sagte er, „oder sie gehen; einen dritten Fall gibt es nicht.“ Freiheit, Arbeit, Liebe, das waren nächst dem religiösen Sinn die Hauptmittel, durch die er sie zum Ziele zu führen versuchte. Er ließ ihnen auch volle Freiheit in der Erholungszeit in betreff ihrer Ausgänge und verlangte nur, daß sie zur bestimmten Stunde wieder daheim waren. Aber sein Auge wachte trotzdem sorgsam über ihnen, und wo es nötig war, zögerte er nicht , einen schnellen Entschluß durchzuführen.
Den guten Seminaristen verschaffte er Stunden in wohlhabenden Häusern der Stadt, und da er immer seine besten Schüler dazu auswählte, wurden Dinters Seminaristen bald als gute Stundengeber bekannt. Anfragen nach ihnen waren fast stets vorhanden, und die Stunden wurden gut bezahlt, brachten oft mehr ein jährlich, als eine feste erste Lehrstelle.
So war es natürlich ein großer Wunsch dieser jungen Leute Stunden geben zu dürfen, und sie waren vom ersten Tag an fleißig und von guter Aufführung, um derselben würdig zu werden. Durch ihren Verkehr in den vornehmen Häusern eigneten sie sich ein gewandtes, gesellschaftliches Benehmen an; durch das verdiente Geld konnten sie sich kleine Wünsche erfüllen, auch in betreff ihres äußeren Menschen, und so machten die Schüler des Lehrerseminars im Laufe von wenig Jahren einen vortrefflichen Eindruck, der der Anstalt alle Ehre einlegte.
Für seine Seminaristen trat aber Dinter auch nach jeder Richtung ein, und sein warmes Interesse für sie erwarb ihm ihre herzliche Liebe und Ergebenheit. Wie ein Vater lebte er mit ihnen zusammen und „Vater Dinter“, so nannten sie ihn. Wenn einer von ihnen aus dem Seminar in ein Amt trat, so wurde eine Abschiedsfeier veranstaltet. Die Abgehenden hielten Danksagungs- und Gelöbnisreden; ein Zurückbleibender wünschte den Scheidenden im Namen des Seminars Glück, und der Direktor fügte Ermahnungen, Hoffnungen und Wünsche hinzu.
Den Beschluß machte ein von Dinter gedichteter und von Krille (gestorben als Kantor der Kreuzkirche zu Dresden) komponierter Abschiedsgesang. Tiefe Rührung ergriff oft alle Beteiligten, und wenn Dinter später im preußischen Seminar Klein-Dexen (später Preußisch-Eylau) denselben Gesang bei der Verabschiedung der Geprüften anstimmen ließ, dann schwebten ihm bei den liebvertrauten Klängen und Worten die Bilder der Vorzeit in Sachsen freundlich vor Augen.
An den Abenden, die er mit seinen Seminaristen zusammen verlebte, wurde bisweilen unter allgemeiner Beteiligung gedichtet. Das war immer fröhlich, scherzhaft, unterhaltend. Allerlei Anekdoten wurden dazu gesammelt, überall fand das komische besondere Beachtung.
Er wußte, daß der Jugend das Possenmachenim Blut steckt, und er wollte sie auch lustig sehen, er wollte in seinen Schülern keine ernsten Männer vor sich haben. Mit ihnen zu scherzen und Alltoria zu treiben war ihm selbst ein großes Vergnügen, auch schien ihm dies die beste Art, sie vor Abwegen zu bewahren. Und er hatte freudige Genugtuung, daß sich gern ein großer, froher Kreisum ihn versammelte, in dem er jung sein konnte mit den Jungen, und daß seine Schüler ihre Freuden unterseinen Augen genossen und sie nicht fern von ihm in der Fremde suchten.
Als Dinter schon lange in Preußen lebt, erhielt er eines Tages einen Brief aus Sachsen. Eine Anzahl seiner frühern Schüler gratulierten ihm zum 29. Februar 1824. Siebzehn Jahre waren seit seinem Abgang von der Anstalt vergangen. Sie versicherten ihren alten Lehrer ihre fortdauernde Dankbarkeit. Der Tag, an dem Dinter diesen Brief erhielt, war einer der schönsten seines Lebens. Er zeigte ihn seinen Studenten und meinte: „Einen Tyrannen hätten sie nicht nach siebzehn Jahren noch hundert Meilen weit einen Geburtstagswunsch gesendet.“
In praktischer Beziehung hatte Dinter Herz und Auge offen für alle Mißstände seiner Anstalt. Für die Kostgänger des Seminars, die vom Staate für neun Pfennig täglich verpflegt wurden, kam er um Erhöhung dieses Satzes ein und fand auch Gelegenheit, von einem reichen, kinderlosen Bekannten ein Legat von sechstausend Talern zur Verbesserung ihrer Kost zu erhalten.
Er veranlaßte die Anstellung eines Vizedirektors im Seminar, verhalf der Anstalt durch persönliche Beziehungen zu einer Luftpumpe, Elektrisiermaschine nebst Batterie und vervollständigte die Seminarbibliothek.
Der Ruf des Seminars war vorzüglich geworden; gleichzeitig damit der Ruf des Direktors. Die Nachfrage nach Seminaristen war größer, als er junge Leute geben konnte. Er hatte es demnach in der Hand, ihnen vorteilhafte Bedingungen auszuwirken.
Mit großer Liebe unterrichtete er auch an der Schule und hatte es gern und mühte sich darum, daß die Kinder fröhlich waren. Ein gelegentlich keckes Wort war ihm allzeit lieber, als Schläfrigkeit. Sein Grundsatz war „lieber Kinder, die des Zaumes, als solche, die der Sporen bedürfen.“ In den Pausen ließ er sie toben und lärmen, soviel sie wollten, und er hatte damit Erfolg, daß auch die lebhaftesten Knaben zeitiger verständig wurden, als andere, die jederzeit durch Zwang in Schranken gehalten worden waren. Die anderen Lehrer, die zum Teil bereits seine Schüler waren, stimmten in seine Art ein.
Natürlich befremdete diese ungewohnte Behandlung ihrer Kinder die Eltern. So verklagte einmal eine Bürgerfrau einen Lehrer bei dem Direktor, weil er ihre Tochter nicht genug prügelte. „ Das Kind muß Prügel haben,“ sagte sie. „Ich selbst prügele sie alle Tage, unvernünftig prügele ich sie.“ Dinter antwortete ihr: „Darum folgt eben das Kind nicht, weil es unvernünftig geprügelt wird.“ Ein andermal wurde er in die sechste Klasse geholt, weil ein Vater sich mit dem Lehrer zankte. Dinter fürchtete, der junge Kollege hätte den Stock zu unsanft gebraucht. Aber die Sache war anders. Der erzürnte Vater schrie: „Was das für eine Schulzucht ist! Heutzutage wird kein Kind mehr geschlagen! Da ich ein Knabe war, ging´s anders! Ich hatte einmal einen Jungen geprügelt; dafür wurde ich so gezüchtigt, daß ich meinen linken Arm nie wieder brauchen lernte und deshalb nicht Soldat werden konnte.“ „Nun Kinder,“ sagte Dinter, „so laßt uns Gott danken, daß heutzutage keine solche Schulzucht mehr vorkommt.“
An den Sonntagen erholte sich Dinter von den Anstrengungen seines Amtes oft dadurch, daß er in der schönen Umgegend Dresdens umherstreifte. Verschiedene seiner früheren Schüler waren dort als Lehrer an Dorfschulen tätig, Freunde aus Universitätszeit als Pfarrer angestellt. Zuweilen predigte er dort auch einmal, und mit dem Landvolke ging er gern um; dachte er doch unter ihm dereinst seine letzten Tage zu verbringen.
In der Stadt brachte seine Amt ihm mir den verschiedensten Gesellschaftskreisen in Verbindung. Es kam vor, daß er mittags bei einem Grafen speiste und abends bei einem Leineweber, oder mittags bei einem Bauern und abends bei dem Oberhofprediger. Ueberall war er derselbe, fröhliche, scherzende geradezu. Ueber seine Spinnanstalt war er nicht sehr glücklich, weil die Knaben nichts weiter als spinnen lernten.
Er hätte so gern eine Industrieschule eingerichtet, in der Knaben und Mädchen die verschiedenen fürs leben nötigen Fertigkeiten hätten lernen können. Aber er fand mit seinem Wunsche kein Gehör und war daher froh, daß der Hauptaufseher der Spinnanstalt ein tüchtiger Lehrer war und er es gerade nicht nötig hatte, sich viel um die Schule zu kümmern. Mit seinem Vorgesetzten, dem Oberhofprediger Reinhard, lebte Dinter im besten Einvernehmen. Er hegte große Verehrung für diesen Mann, der sich durch innige Liebe zur Wahrheit und Menschheit und vielseitiges Wissen auszeichnet.
Wöchentlich einmal verlebte er bei ihm den Abend, und so oft ein neuer Superintendent aufgenommen wurde, lud Reinhard ihn dazu ein, weil er meinte, der Seminardirektor müsse mir allen Superintendenten bekannt werden, damit sie die Schullehrer desto lieber von ihm nehmen. Reinhard hielt viel von der Methode Dinters und trat stets für ihn ein, wenn er von anderen angegriffen wurde. Dinter selbst mit seinem lebhaftem Temperament wurde immer noch leicht heftig, wenn ihm etwas nicht recht war. Einmal wollte ihm zum Beispiel einer seiner Vorgesetzten Vorschriften machen in einer Sache, die Dinter verstehen mußte. Er begann: „Sie müssen -“ Dinter unterbrach ihn. „Ich bin nach Dresden gekommen, nicht weil ich Dresden brauchte, sondern, weil Dresden mich brauchen zu können glaubte. Ich muß nicht s, als was ich will.“ Solche freien Worte wurden ihm aber nicht übel genommen; zu deutlich schon sah man den Wert seiner Tätigkeit und ihren schönen Erfolg und verzieh ihm deshalb gern seine schroffe Art.

Görnitz

Dinter wurde krank. Eine gefährliche Gelbsucht setzte sein Leben in Gefahr. Sie schien vorüber, kam dann aber so heftig wieder, daß nur ein Aderlaß ihn rettete. Er fühlte sich danach außerordentlich schwach und war sich darüber klar, daß er sein schweres Amt in Dresden auf die Dauer nicht würde aushalten könne.
Daher entschloß er sich fortzugehen und die Pfarrstelle in Görnitz bei Borna, zwei Stunden von Kitzscher entfernt, also in seine geliebten Heimat gelegen, anzunehmen. Sie hatte ein gutes Einkommen und ließ ihm die Zeit ,eine Erziehungsanstalt in seinem Hause einzurichten. Trotzdem Reinhard ihm eine Superintenantur anbot, ob er Görnitz erhalten habe, antwortetet Reinhard: „Nur mit Mühe haben Sie es erhalten. Man schämte sich fast, Ihnen nichts Besseres zu geben.“
Der Abschied aus den ihm so lieb gewordenen Verhältnissen war ihm sehr schmerzlich; sein einziger Trost, daß er sein Werk in die Hände eines tüchtigen Nachfolgers legte. Eine große Anzahl seiner Seminaristen begleitete ihn von Dresden bis nach Meißen. Dort hielten sie ihre letzte gemeinsame Mahlzeit in einem Gasthaus in dem sie früher einmal sehr vergnügt gewesen waren. In Görnitz wurde er wie ein liebe, alter Bekannter mit Freuden begrüßt. Um sein Institut einrichten zu können, brauchte er einen Hilfslehrer und eine Hausfrau. Den ersteren zu finden machte ihm keine Mühe; er hatte ihn schon in seinem Hause.
Es war der junge Lehrer Günther, der mit seinem geliebten Direktor zusammen das Dresdener Seminar verlassen hatte. Als Dinter mit ihm über die Bedingungen seiner Stellung sprach, sagte er: „Einer von uns Beiden muß eine Frau nehmen. An wen wird nun die Reihe kommen? An den siebenundvierzigjährigen oder an den zwanzigjährigen? Günther lächelte schweigend, und Dinter fuhr fort: „Gut, sie kommt an Dich!“
Es dauerte auch nicht lange, da waren sie über die künftige Hausfrau einig, und am 30. August 1807 heiratete Günther ein Fräulein Türk. Bei dem Hochzeitsmahl mußte das junge Paar versprechen, ihm ihren ersten Sohn zu schenken. „Er sei klug, dumm, lahm, blind, taub,“ sagte er. Genug, Euer erster Junge ist mein. Dafür erziehe ich Euch den zweiten, bis er sich selbst ernähren kann.“ Beide Parteien hielten Wort.
Der erste Sohn wurde von Dinter gerichtlich adoptiert und führte seinen Namen. Er studierte Medizin und wurde ein angesehener Arzt in Königsberg. Den zweiten Sohn ließ Dinter ebenfalls studieren. Mit zwei jungen Dresdener Knaben eröffnete Dinter ohne weitere Ankündigung sein Institut. In kurzer Zeit hatte er mehr Zöglinge, als sein Haus fassen konnte; die er nicht aufnehmen konnte, mieteten sich bei Bauern ein.
Als er nach neun Jahren nach Ostpreußen übersiedelte, war die Zahl seiner Schüler in Görnitz auf dreißig gestiegen; drei Hilfslehrer erteilten mit ihm und unter seiner Leitung den Unterricht. Einer dieser Lehrer begleitete ihn nach Königsberg als Aufseher für die beiden Knaben seines Günther. Er hatte die Bedingung gestellt, nach drei Jahren wieder zurückkehren zu dürfen; aber es gefiel ihm dann in Preußen und er blieb dort als Lehrer an der Taubstummenanstalt in Königsberg.
Liebe, Arbeit, Freiheit und religiöser Sinn waren auch in Görnitz die leitenden Grundsätze von Dinters Wirken. Die Zusammenstellung der Schüler aus den verschiedenen Gesellschaftsschichten brachte eine große Vielseitigkeit des Unterrichts mit sich. Dinter selbst lernte Italienisch, Latein und Französisch wurde allgemein betrieben; nur die künftigen Landschullehrer blieben davon fern. Die Lehrer arbeiteten vor allem darauf hin, in den Knaben das Interesse zu erwecken, für sich selbst zu arbeiten.
Weniger kam es ihn darauf an, wie weit sie kamen. Aber die Kinder sollten gerne lernen, und was sie hatten, mußte ihr volles Eigentum sein. Wenn es die Witterung erlaubte, wurden im Sommer alle Stunden im Garten gegeben. Jährlich war eine Woche zu einer Reise bestimmt, die die Kinder anregte und das schüchterne, menschenscheue Wesen hinderte, das so leicht den zu angestrengten oder zu abgesondert lebenden Kindern anhängt.
Dinters Ruf als außenordentlicher Pädagoge, als erfolgreicher Verbesserer des Volksschulwesens, drang weit über die Grenzen seines Vaterlands hinaus.  König Friedrich August von Sachsen hatte ihn in großartiger Weise geehrt, indem er in Anerkennung seiner Verdienste eine goldene Medaille auf ihn hatte prägen lassen. Sie war siebenundzwanzig und eine halben Dukaten schwer. Auf einer Seite war des Königs Bildnis mit der Inschrift Artium tutela; auf der anderen das Vaterland, umgeben von den Genien der Künste und Wissenschaften, wie es dem Genius der Schriftstellerei den Kranz reicht. Die Umschrift nannte Dinters Namen und sein Amt und erklärte, daß ihm diese Auszeichnung wegen seiner Verdienste um das Schulwesen zu teil geworden sei. Die sächsischen Bauern deuteten sich diese Madaille allerdings anders. „ Was war denn darauf abgebildet?“ fragten sie den einen von ihnen, dem sie Dinter gezeigt hatte, und dieser, der das Vaterland mit Genien herum bewundert hatte, antwortete: „Der Paßtor Dinter mit allen seinen Schuljungen!“
Der Oberpräsident von Westfalen, Freiherr von Vincke, erzählte in der Gesellschaft in Münster, daß die Regierung einen neuen Schulrat brauche; er wisse aber niemand, den er vorschlagen könne. Zufällig befand sich in dieser Gesellschaft auch der General Thielemann, ein Schwager des Oberhofpredigers Reinhard. Er lenkte den Blick Vinckes auf Dinter, und unverzüglich setze sich der Oberpräsident mit diesem in Verbindung. Bald waren die Bedingungen zur beiderseitigen Zufriedenheit festgesetzt.
Aber Dinter kam nicht nach Westfalen. Das Ministerium in Berlin, einmal auf Dinter aufmerksam gemacht, bestimmte anders über ihn und verpflichtete ihn als Schulrat und Konsistorialrat nach Königsberg in Ostpreußen. So ging der sechsundfünfzigjährige Mann in ein fremdes Land, in dem er  niemand kannte, verließ Heimat, Familie, Freunde, die er liebte, einen Wirkungskreis, eine Gemeinde, an denen sein Herz hing, und der einzige Vorteil dieser Veränderung für ihn bestand darin, daß er seine Kinder nicht fortgeben durfte, sondern bei sich im Hause behalten konnte, wenn er Bewohner einer Stadt war, die Gymnasium und Universität hatte.
Was ihn aber vor allem trieb, dem Rufe dorthin zu  folgen, war wieder die Aussicht auf einen größeren Wirkungskreis; im Gefühl seiner Kraft wollte er sich ihm nicht entziehen; in Erwartung der Schwierigkeiten, die ihm auch in Ostpreußen entgegentreten würden, freute er sich, sie besiegen zu können. In seiner selbstverfaßten Lebensgeschichte sagt der faßt Siebzigjährige, daß es ihn auch keine Stunde gereut habe, Preuße geworden zu sein. Am 15. November 1816 überschritt Dinter die preußische Grenze. Aber nicht als ein einsamer Mann. Wie ihn von Kitscher einige seiner Schüler nach Dresden begleitet hatten, wie vom Dresdener Seminar der junge Lehrer Günther ihm nach Görnitz gefolgt war, so ließ ihn auch jetzt die Liebe nicht allein. Vier Knaben, zum Teil noch in dem zartesten Alter, zogen mit ihm du hingen an dem alternden Manne mit einer Innigkeit, die ein deutlich redendes Zeugnis ablegte für die warme Zärtlichkeit, die sein Herz für alles, was Jugend und Kindheit hieß, empfand. Seine vier Begleiter waren sein adoptierter Sohn Dinter, dessen jüngerer Bruder Günther, ein zwölfjähriger Knabe Köhler und der junge Lehrer Schröter.

Dinters Tätigkeit in Ostpreussen

Die trübe, schwere Stimmung, in der sich die Reisenden alle mehr oder weniger befanden, wurde bald durch die Zerstreuung der Reise unterbrochen und gehoben. Der Morgen begann  mit einem frommen Gesang; fröhliche Lieder wurden später angestimmt, Erinnerungszeichen und merkwürdige Orte  unterwegs besichtigt. In Berlin stellte Dinter  sich seinen Vorgesetzten vor und besuchte die Taubstummenantalt, um ein solches, ihm noch fremdes Institut, kennen zu lernen. Die dort verlebten Stunden betrachtete er in Königsberg als für ihn und die Königsberger Anstalt sehr nutzbringend gewesen.
Am 9. Dezember 1816 kam die kleine Schar an ihren Bestimmungsort Königsberg an, und am 16. Dezember schwur Dinter seinem neuen Vaterland Treue und gelobte sich in seinem Herzen: „Ich will jedes preußische Bauernkind für ein Wesen ansehen, das mich bei Gott verklagen kann, wenn ich ihm nicht die beste Menschen- und Christenbildung schaffe, die ich ihm zu schaffen vermag.“
Dinters Amt als Konsistorialrat und Schulrat verlangte ihm sehr verschiedene  Betätigungen und mit der gewohnten eifrigen Pflichttreue kam er allen diesen Forderungen nach. Sein ganzes Herz hing an den Kindern, vor allem an den Kindern des Volkes und an ihrer Volksschule. Da sein Vorgänger für die Gymnasien viel, für das Elementarschulwesen nur wenig getan hatte, so stellte sich Dinter die Aufgabe, gerade diesem seine Hauptaufmerksamkeit zuzuwenden. Er hatte das Glück unter dem Oberpräsidenten v. Schön zu arbeiten, der seine Bemühungen nach Möglichkeit förderte, da er von dem gleichen Streben nach besserer Volkserziehung beseelt war, wie Dinter.
Etwa vierhundert Volksschulen hat Schön in der Zeit seine Amtstätigkeit eingerichtet; aber vor seinem tatkräftigen Eingreifen existieren deren nur sehr wenige, und diese litten unter dem denkbar schlechtesten Material von Lehrern, nur einzelne machten davon eine Ausnahme. Aber Dinter schreckte das nicht. Wie er in Sachsen Lehrer und Kinder zu gleicher Zeit zum bessern verändert hatte, so wollte er es auch in Preußen mit frohem Mut beginnen.
Ausbildung tüchtiger junger Leute zu Seminaristen und häufiges Revidieren der Schulen, diese anstrengende Arbeit war ihm auch hier eine Freude. Er hatte sein neues Heimatland bald lieb gewonnen; die Befürchtungen, mit denen er es betreten hatte, waren grundlos gewesen. Vor dem rauen Klima war ihm Angst gemacht worden; sein Arzt meinte, er würde es dort nicht drei Jahre aushalten. Er selbst hatte seinen vier Zöglingen gesagt, sie möchten sich in Sachsen noch einmal recht satt an Obst essen; in Preußen würde es wohl nicht viel davon geben. In den ersten Jahren fand Dinter bei seinen Schulrevisionen häufig ganz ungeeignete Lehrer; sie verstanden es nicht, mit den Kindern umzugehen, ihnen etwas klar zu machen. In solchen Fällen traf er schnelle Änderungen. Seine Ansicht war: „Ein Schneider, der nicht nähen kann und ein Schullehrer, der nicht mit Kindern reden kann, stehen sich ziemlich gleich. Jenem wird man kein Tuch zum Kleid, diesem soll man kein Kind anvertrauen.“
Ebenso fiel es ihm auf, daß die Lehrer sich um die Bildung der Mädchen gar nicht kümmerten, sondern sich nur um die Bildung der Knaben bemühten. Er versuchte auch hierin Änderungen zu schaffen, hatte aber mit dem mangelnden Verständnis des Volks für Mädchenbildung viel zu kämpfen. Als ein Lehrer bei der Erklärung des achten Gebotes immer nur die Knaben fragte, ergriff Dinter das Wort und redete eins der Mädchen an: „Sage einmal, wenn jemand spräche, die Jungen dort müssen etwas lernen und die Mädchen können in Gottes Namen dumm bleiben, was hätte er geredet, die Wahrheit oder die Unwahrheit?“ Das Mädchen rief, ohne sich zu besinnen: „Die Wahrheit hat er gesagt!“
Indem sich Dinter jederzeit bei seinen Revisionen um alle Kinder ganz gleichmäßig bekümmerte, wirkte er für die Beachtung der Mädchen besser, als es durch besondere Verfügung geschehen wäre. Er hielt die Frau als Erzieherin der kommenden Generation, als Leiterin des Hauswesens, als Gefährtin des Mannes für ganz besonders bedürftig einer guten Erziehung. Mit seiner schon mehrfach bewiesenen Energie schuf Dinter auch in Preußen einen neuen Lehrerstand. Gegen völlige Unfähigkeit war er streng; nützte eine Ermahnung nicht, so folgte Amtsenthebung oder der Lehrer erhielt einen Adjunkt. Aber wo er tüchtige Kräfte fand, war ihm die Schulrevision eine Herzensfreude. Er tadelte bei guten Lehrern fehlten, wenn er etwas fand, womit er unzufrieden war, aber er nannte den Lehrer sofort „Sie“ anstatt des sonst von ihm gerauchten freundlichen „Du“. Der Betreffende verstand das wohl, und einmal kam einer derselben den Schulrat bitten, seine Schule zu revidieren; er möchte sich gern wieder das „Du“ verdienen.
Auch für eine feste Besoldung der Lehrer seitens der Behörden trat Dinter ein; bis dahin waren sie meistens auf das Schulgeld angewiesen, das ihnen die Kinder brachten. So wirkte er überall für die soziale Hebung des Lehrerstandes durch geistige nd materielle Verbesserung. Neben seiner reichhaltigen Tätigkeit als Konsistorialrat standen vier Schullehrer-Seminare im Regierungsbezirk Königsberg unter seiner Aufsicht: das Königsberger Waisenhaus, dessen Zöglinge ihm viel Freude machten, Braunsberg, Klein Dexen (später preußisch Eylau) und Mühlhausen. Sehr erfreut war, als Friedrich Wilhelm III. anordnete, es sollten die Seminaristen auch in der Königsberger Taubstummen-Anstalt gelehrt werden, mit Taubstummen Kindern zu verkehren. Dinter unterschied immer die Bildung der Kraft und die Mitteilung von Kenntnissen; er hielt die Bildung der Kraft für die wichtigere Aufgabe der Schule. Die Schüler sollten denken lernen, ihre geistige Kraft beweglich, für das Leben dienlich machen. Ist diese formale Bildung gefördert, sagte er, so finden sich die Kenntnisse leicht. Dazu mußten zunächst die Lehrer selbst erzogen werden.
Bei Dinters Amtsantritt hatten die Lehrerseminare am Waisenhaus und in Braunsberg keine Übungsklassen, so daß  die künftigen Lehrer alles lernten, nur nicht die wichtigste Kunst des Unterrichtens. Dinter verlangte darin sofort eine Änderung und setzte dieselbe auch trotz mancher Schwierigkeiten durch. Das Seminar in Klein Dexen fand er schon in gutem Zustand vor. Als die Zahl der Lehrer dort vergrößert wurde, veranlasste er die Anstellung seines lieben Günther, des Vaters seines Adoptivsohnes.
Das vierte Seminar, Mühlhausen, war das kleinste. Man wollte es eingehen lassen, um Geld für ein polnisches Seminar zu gewinnen. Dinter wehrte sich dagegen. Seine Erklärung begann mit den Worten: „Es muss den Polen geholfen werden, aber nicht auf Kosten der Deutschen.“ Die Behörde sah die Richtigkeit seiner Meinung ein, und das Seminar blieb bestehen. Die litauischen Anstalten besuchte Dinter nur im Anfang seines Aufenthaltes in Preußen; dann wurde dort ein Freund von ihm als Konsistorial-Kommissar angestellt.
In der ersten Zeit war er gewöhnlich den vierten Teil des Jahres auf Reisen. Er studierte aber auf diesen Reisen nicht nur die Schulen, sondern lernte auch Land und Leute kennen, Sprache und Charakter des ostpreußischen Volkes. Kehrte sein Fuhrmann in einem Kruge ein, so ließ Dinter sich mit jedem, den er vorfand, in ein Gespräch ein, hörte Urteile über Personen und Verhältnisse des Lebens und hatte große Freude über die natürliche, gerade und oft witzige Art des einfachen Mannes. Am meisten hatten es ihm natürlich die Kinder wieder angetan, und mancher Scherz, manches neckendes Wort flog von ihm zu ihnen herüber und wurde munter erwidert.
Zahlreiche kleine Geschichten erzählte er selbst in seiner Lebensgeschichte. Sie legen ein deutliches Zeugnis ab von seiner warmen Herzlichkeit zu den Kindern, wie ebenso von der Freude, die ihm ihre munteren Antworten machten. So rief er einmal einem Bauernknaben zu: „Junge, ich bin gestern durch dein Dorf gefahren! Was habt Ihr für wunderbare Häuser dort!“ „Warum“ fragte der Knabe. „Ueberall habt ihr die Haustür unten, und den Schornstein oben!“ antwortete Dinter mit scheinbarem Ernst. Aber der Junge ließ sich nicht verblüffen. „Habt ihr´s in Königsberg anders?“ war seine muntere Gegenfrage. Und ein anderer Junge antwortete ebenso geweckt. Dinter fragte ihn: „Was hast du heut für ein tollen Streich gemacht? – Hast den Kopf zwischen die Ohren hineingesetzt!“ „ Haben Sie ihn denn wo anders?“ klang es lustig zurück.
Auch in Königsberg konnte er kaum einen Gang machen, ohne ein Kind anzureden. Schlagfertig, ja eine kleine Derbheit desselben war ihm lieber als Schüchternheit. So erzählte er mit großer Freude, wie einmal ein kleiner fünfjähriger Bursche, dem er im Vorbeigehen den Kopf gerieben hatte, ihm trotzig zurief: „Wer hat dir´s erlaubt, daß du  mir auf dem Kopfe krabbelst?“ Der Zucht des Elternhauses legte Dinter große Bedeutung für Erfolg der Schule bei und einstmals, als er von einem Lehrer wissen wollte, wie es mit Schulstrafen in seiner Schule bestellt sei, und dieser ihm Stolz erwiderte, in seiner Schule wisse überhaupt niemand, was eine Schulstrafe sei, da sagte er ihm: „ Daran haben die Eltern gewiß so viel Anteil wie du. Wären diese nicht so gut, so kämst du ohne Schulstrafe nicht durch.“
In den Schulen in Sachsen, die Dinter selbst leitete, hatte er die Kinder in den Pausen zwischen den Schulstunden auf dem Schulhofe viel lauter lärmen lassen, als es andere Schulen erlaubten; man machte ihm damals den Vorwurf, daß er den Kindern zu viel Freiheit lasse. Aber er ließ sich nicht beirren, und der Erfolg gab ihm recht. Seine Ansicht war: „Schwärmen will der Mensch, der lebendige einmal. Verwehrt man´s ihm in der Jugend, so holt er´s in den folgenden Jahren oft ohne Aufsicht und mit Gefahr seines Lebens nach.“ Für besonders veranlagte Knaben, die Dinter auf seinen Revisionsreisen in der Volksschule kennen lernte, sorgte er, daß sie studieren konnten. Er interessierte andere, wohlhabende Leute für sie, nahm auch selbst verschiedene von ihnen mehrere Jahre frei in dein Haus, wenn sie in Königsberg die Universität besuchten.
Aber schon zu seinen Lebzeiten änderten sich die Verhältnisse. Befand 1816 bei seiner Ankunft in Preußen ein Mangel an Studierenden, so daß eine Aufmunterung zum Besuch der Universität wünschenswert war, so gab es 1829 so viele Studenten, daß Dinter jeden vom Studieren zurückhielt, der sich nicht durch besondere Begabung und Lust dazu auszeichnete.
Mit dem damaligen Oberpräsidenten von Ostpreußen, Theodor von Schön, stand Dinter in einem ganz besonders angenehmen Verhältnis. Schön würdigte und erkannte vollständig Dinters große Tüchtigkeit und Verdienste und gewährte ihm jeden Wunsch, den er für seine Schulen  hatte. Ebenso stand ihm das Ministerium gegenüber. Der Minister Altenstein war ihm sehr wohl gesinnt, interessierte sich auch für seine Schriften und befahl deren allgemeine Verbreitung. Der Geheime Staatsrat Nicolovius forderte ihn auf, er möchte ihm halbjährlich schreiben, wie es ihm gehe und was er wünsche, was Dinter natürlich mit Freuden tat.
So konnte er, wie in Sachsen, auch in Preußen mit Befriedigung es empfinden, daß die Regierung seine Arbeit anerkannte und förderte, und dankbar gedachte er stets den Monarchen, deren Unterstützung sein Lebenswerk gefördert und dessen segensreichen Erfolg ermöglicht hatte.

Dinter als Universitätslehrer

Gelegentlich des Reformationsjubiläums hatte sich Dinter an der Universität habilitiert. Er wollte neben seinen vielen Reisen, die ihn in die unbemittelten Kreise des Volkes führten, auch einen festen Zusammenhang mit den Männern der Wissenschaft und eine stete Anregung durch sie haben. In seinen Kollegs, die er ohne Honorar las, trug er die verschiedenen Meinungen mit ihren Gründen vor, sagte, welche er den Vorzug gäbe, freute dich aber mehr noch, wenn die Jünglinge selbst urteilten.
Er fühlte sich unter seinen Studenten glücklich, scherzte mit ihnen und wirkte durch seinen sittlichen Ernst auf sie ein. Im Winter ließ er sich oft von ihnen ins Kolleg und wieder nach Hause führen, denn er fühlte sich bei schlechtem Wetter sehr unsicher auf der Straße, namentlich wenn es glatt war. Der Mangel der körperlichen Übungen, die sein Vater jederzeit aus Ängstlichkeit verboten hatte, machte sich in seinem Alter recht fühlbar. Seine Studenten liebten ihn wieder. Nie erlaubte sich einer etwas gegen ihn, was ihn hätte beleidigen können. An seinem fünfundsechzigsten Geburtstag, am 29. Februar 1824, überreichten sie ihm ein schön gedrucktes und eingebundenes Gedicht, das ihn so sehr erfreute, daß er es wie ein  Heiligtum aufhob.
Weil ihm das Kolleglesen so viel Freude machte, verlegte er seine Revisionsreisen in die Zeit des Universitätsferien und nur die Abiturientenexamen und die Kandidatenexamen durften ferner seine Universitätstätigkeit unterbrechen. In seinem zweiundsechzigsten Lebensjahr erhielt Dinter einen Ruf als ordentlicher Professor der Theologie nach Kiel. Er hätte dort ebensoviel oder mehr Einnahmen gehabt, als in Königsberg und kaum den dritten Teil seiner bisherigen Tätigkeit. Auch hatte er dort die Aussicht, noch in den Jahren seines herannahenden Alters sein Gehalt unverkürzt zu behalten.
Aber so sehr er sich auch über diese Auszeichnung freute, so hatte er doch sein Preußen und sein Amt in diesem Lande schon lieb gewonnen, daß er nicht ohne Schmerz daran denken konnte,  sich davon loszureißen. Er legte daher die Entscheidung in des Ministers Hand, stellte ihm vor, daß er bei seiner Anstellung in Preußen vergessen habe, seine künftige Pensionierung zu gedenken, ganz abgesehen davon, daß sie nach den wenigen Jahren im preußischen Dienst nur sehr gering ausfallen könne und bat mit Rücksicht auf diese Verhältnisse um seine Entlassung. Der Minister antwortete ihm damit, daß er ihn in Königsberg als außerordentlichen Professor der Theologie mit zweihundert Talern Gehalt anstellte und ihm sagte, bei seiner einstiegen Pensionierung würden nicht die Jahre seines Wirkens in Preußen angerechnet werden, sondern die volle Zeit seines Wirken für die Menschheit.
Ein unvergesslicher Tag war es in Dinters Leben, als der Minister ihm Wahl des zweiten Schulrats in Königsberg unter den von dem Oberpräsidenten von Schön aufgestellten Männern überließ. Der Minister setzte hinzu, er wünsche, daß der neue Schulrat mit Dinter gut zusammen und in späterer Zeit in seinem Geiste weiter arbeiten möge.

Schluss

Im Jahre 1829 erlebte Dinter die Freude, daß sein Pflegesohn, der Medizin studierte, ich verlobte. Trotzdem er sich damals ganz gesund und kräftig fühlte, sagte er doch zu dem  jungen Paare, da er nicht wisse, ob er ihre Hochzeit noch erleben würde, möchte er ihnen lieber gleich die Traurede halten. Seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht. Während sein Sohn sich zur Ablegung seines Staatsexamens in Berlin aufhielt, erkältete sich Dinter auf einer Reise und starb am 29.Mai 1831.

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