Ernst Nolte
- Geburt:
- 11.01.1923
- Tot:
- 18.08.2016
- Zusätzliche namen:
- Ernst Nolte
- Kategorien:
- Historiker, Professor, Pädagoge
- Nationalitäten:
- deutsche
- Friedhof:
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Ernst Nolte (* 11. Januar 1923 in Witten; † 18. August 2016 in Berlin) war ein deutscher Historiker und Philosoph. Wegen seiner maßgeblichen Studien in den 1960er Jahren über den europäischen Faschismus wurde er auch als „Nestor der Faschismusforschung der Bundesrepublik“ bezeichnet. Seine These von einem „kausalen Nexus“ zwischen den Verbrechen des Gulag-Systems in der Sowjetunion und dem Holocaust, der Vernichtung der europäischen Juden im Nationalsozialismus, löste 1986 den Historikerstreit aus.
Ernst Nolte wurde 1923 in die Familie eines katholischen Volksschulrektors in Witten an der Ruhr geboren. Er machte 1941 sein Abitur und begann sogleich ein Studium der Philosophie, Germanistik und der Altphilologie an den Universitäten Münster, Berlin und Freiburg im Breisgau. Da ihm an der linken Hand drei Finger fehlten, war er nicht kriegsdiensttauglich. Nach dem Studienabschluss 1945 ging er in den Schuldienst an Gymnasien, wo er die Fächer Deutsch, Latein und Griechisch unterrichtete. Daneben setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten fort und wurde 1952 in Freiburg im Breisgau mit der Arbeit Selbstentfremdung und Dialektik im deutschen Idealismus und bei Marx bei Eugen Fink, einem der früheren Assistenten des Philosophen und Begründers der Phänomenologie Edmund Husserl, promoviert.
Nach weiteren ausgedehnten zeithistorischen Forschungen trat Nolte 1963 mit seinem Buch Der Faschismus in seiner Epoche an die Öffentlichkeit. Dieses Werk, das bald in mehrere Sprachen übersetzt wurde, machte ihn international bekannt. Es wurde 1964 als Habilitationsschrift angenommen und bereits 1965 wurde Nolte als ordentlicher Professor für Neuere Geschichte an die Universität Marburg berufen. 1973 folgte er einem Ruf an die FU Berlin, wo er am Friedrich-Meinecke-Institut bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1991 als Professor für Neuere Geschichte wirkte.
1985 erhielt er für seine „Verdienste um die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen Gemeinwesens“ den Hanns Martin Schleyer-Preis.
Sein Sohn ist der Berliner Völkerrechtsprofessor Georg Nolte, seine Tochter die Journalistin und Schriftstellerin Dorothee Nolte.
Ernst Nolte starb am 18. August 2016 im Alter von 93 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit.
„Der Faschismus in seiner Epoche“
In dem Werk Der Faschismus in seiner Epoche definierte Nolte Faschismus auf Grundlage seiner Selbstäußerungen, einer Methode, die Nolte phänomenologisch nennt und philosophisch begründet hat, als „Antimarxismus, der den Gegner durch die Ausbildung einer radikal entgegengesetzten und doch benachbarten Ideologie und die Anwendung von nahezu identischen und doch charakteristisch umgeprägten Methoden zu vernichten trachtet, stets aber im undurchbrechbaren Rahmen nationaler Selbstbehauptung und Autonomie“.
Nach der – an Max Weber angelehnten – typologischen Methode werden als allgemeine Merkmale des Faschismus Antimarxismus, Antiliberalismus, Nationalismus, Gewalt und Propaganda ermittelt, wobei Nolte selbst auf die Grenzen dieses Verfahrens verweist, da Rassismus oder Antisemitismus hier keine definitorische Rolle spielen. In seiner phänomenologischen Erschließung der Vorgeschichte des Faschismus jedoch kommen Antisemitismus und Rassismus eine umso zentralere Stellung zu. Denn Nolte fasst in seiner Faschismustheorie nicht nur den deutschen Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus Mussolinis, sondern auch die „Action française“, eine rechtsradikale französische Bewegung, zusammen, deren Rassenantisemitismus unmittelbar auf die Weltanschauung Hitlers vorausweist. Damit war er der erste deutsche Historiker ohne marxistischen Hintergrund, der den Faschismusbegriff benutzte, nicht ohne die Ursprünge des europäischen Faschismus in der Tradition der französischen Gegenrevolution aufzudecken.
Sein Buch wurde auch von gemäßigten Linken positiv rezipiert, weil sie es als Gegenentwurf zur Totalitarismustheorie verstanden. Nolte selbst stellte 1978 in einem „Rückblick nach fünfzehn Jahren“ klar, dass dies ein Missverständnis sei: „In Wahrheit wollte ich die Totalitarismustheorie differenzieren, historisieren und bis zu einem gewissen Grade auch entemotionalisieren, aber ich wollte sie weder überwinden noch verdrängen“.
Historikerstreit
Ein Beitrag Noltes in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 6. Juni 1986, auf den Jürgen Habermas in der Zeit publizistisch reagierte, löste den sogenannten Historikerstreit aus. Dem Text lagen Gedanken zu Grunde, die er bereits am 24. Juli 1980 in einem Artikel der FAZ geäußert hatte.
Nolte erklärte darin, der „Archipel Gulag“ habe „das logische und faktische Prius“ vor Auschwitz, das heißt, der „Rassenmord“ der Nationalsozialisten sei nur aus Furcht vor dem älteren „Klassenmord“ der Bolschewiki entstanden. Den Massenmord an den Juden und die antisemitische Weltanschauung Hitlers, die seinen älteren Thesen zufolge das Wesen des Faschismus enthüllten, deutet Nolte in seinem 1987 erschienenen Werk Der europäische Bürgerkrieg 1917–1945. Nationalsozialismus und Bolschewismus zu einer „überschießenden Reaktion“ auf die Herausforderung der Oktoberrevolution um, die mit ihrem Klassenmord und den seit 1918 errichteten Konzentrationslagern ein Präzedens gesetzt habe.
Diese These, die Nolte indessen nicht dazu veranlasste, die Singularität des Holocaust in Frage zu stellen, erweiterte er zur Behauptung eines „europäischen Bürgerkriegs“, der von 1917 bis 1945 getobt habe. Nolte rückt hier Faschismus, Nationalsozialismus und Bolschewismus in ein enges Entsprechungsverhältnis, in dem der Bolschewismus anstoßgebendes Vorbild und „Schreckbild“ Hitlers gewesen sei. Den von britischen und amerikanischen Juden proklamierten Boykott deutscher Waren, der unter dem Titel Judea Declares War on Germany im Daily Express vom 24. März 1933 veröffentlicht wurde, sowie die Loyalitätsbekundung Chaim Weizmanns vom September 1939 für Großbritannien wertete Nolte als Rechtfertigung, „dass Hitler die Juden als Kriegsgefangene […] behandeln und internieren durfte“. Nach Ansicht von Micha Brumlik sei Nolte damit „der erste deutsche, einigermaßen renommierte Gelehrte, der sowohl den Antisemitismus als auch den Holocaust nicht nur ‚versteht‘, sondern offen rechtfertigt“.
Neben massiven methodischen und quellenkundlichen Vorwürfen setzte die Kritik in der Folgezeit an Noltes Verständnis der NS-Ideologie an: Bei Nolte sei deren Antisemitismus eine Abwehrideologie gegenüber einer konkreten Bedrohung, tatsächlich aber sei er von Beginn an ein entscheidendes Wesensmerkmal der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer völkischen Vorläufer gewesen, was beispielsweise für den italienischen Faschismus in dieser Aggressivität nicht gelte. Nolte erkläre die hier vorhandenen Unterschiede nicht und beziehe Betrachtungen, die bei faschistischen Bewegungen möglicherweise eine gewisse Plausibilität besäßen, unreflektiert auf das in vieler Hinsicht andersartige völkische Wesen der NS-Bewegung.
Zunehmende Isolation
In den Jahren nach dem Höhepunkt des Historikerstreits wurde Nolte unter Historikern zunehmend isoliert. In seinem Werk Geschichtsdenken im 20. Jahrhundert führte er aus, es habe in besagtem Jahrhundert drei „außerordentliche Staaten“ gegeben, nämlich die UdSSR, das geteilte Deutschland und Israel. Die UdSSR und Deutschland seien wieder zur „Normalität“ zurückgekehrt – allein Israel müsse diesen Zustand noch erreichen, sonst laufe es Gefahr, der „einzige Staat nach dem Herzen Hitlers“ zu werden. Die Rezeption dieses Buches war überwiegend ablehnend. 1994 war er einer der Autoren des neurechten Sammelbands Die selbstbewusste Nation, was ebenfalls überwiegend auf Unverständnis stieß.
Mitunter äußerte sich diese Ablehnung auch in physischer Gewalt. So wurde im Februar 1988 auf das auf dem Gelände der Freien Universität Berlin abgestellte Auto Noltes ein Brandanschlag verübt, und Anfang Februar 1994 verhinderten etwa 30 „Demonstranten“ einen geplanten Vortrag Noltes über das Thema „Nietzsche und die Gegenwart“ im Gebäude der katholischen Studentengemeinde in Friedrichshain und attackierten Nolte mit Schlägen und Tränengas.
Noltes Ablehnung der Verschärfung des § 130 StGB (Strafbarkeit der Holocaustleugnung als Volksverhetzung) in einem Zeitungsartikel als „Gefahr für die geistige Freiheit“ Deutschlands stieß ebenfalls überwiegend auf Unverständnis. Sein 1998 veröffentlichtes Buch Historische Existenz. Zwischen Anfang und Ende der Geschichte?, das er selbst in einem Vortrag als sein Hauptwerk verstanden wissen wollte, intensivierte seine Thesen aus dem Historikerstreit noch einmal. Er führte aus, dass auch die Tätigkeit sowjetischer Partisanen hinter der Front als Reaktion den Massenmord an den Juden provoziert hätte. Hitler habe zudem „schwerwiegende Gründe“ gehabt, die Juden seit 1939 als feindlich gesinnt zu betrachten „und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“ – womit Nolte allerdings nicht deren Ermordung meinte. Er zog jedoch Parallelen zwischen den im Alten Testament enthaltenen Vernichtungsdrohungen für die Feinde Israels und Hitlers Vorstellungen im Zweiten Weltkrieg. Dazu billigte Nolte Hitler zu, eine „bemerkenswerte Kenntnis des Alten Testaments“ gehabt zu haben – Gedankengänge, die in der Presse als Beleg des „wissenschaftlichen Niedergangs“ Noltes bewertet wurden.
Im Jahr 2000 erhielt Nolte den Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung. Angela Merkel lehnte es ab, die Laudatio auf Nolte zu halten. Diese Aufgabe wurde dann vom Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, Horst Möller, übernommen. Nachdem 2003/2004 der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wegen seiner als antisemitisch betrachteten Rede zum Tag der Deutschen Einheit aus Partei und Fraktion ausgeschlossen worden war, erklärte Nolte Hohmann zum tapferen und respektablen Streiter für Meinungs- und Gewissensfreiheit. Im November 2011 erhielt er den von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung und der Wochenzeitung Junge Freiheit verliehenen Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für Publizistik 2011. 2012 erhielt Nolte „für sein umfangreiches wissenschaftliches und geschichtsphilosophisches Gesamtwerk“ den Historiker-Preis der Erich und Erna Kronauer-Stiftung.
Unter dem Datum April 2011 (Erscheinungsdatum) veröffentlichte Nolte ein Vorwort zum Buch Der Sinn der Geschichte von Friedrich Romig.
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