Hinrich Lohse
- Geburt:
- 02.09.1896
- Tot:
- 25.02.1964
- Mädchenname:
- Hinrich Lohse,
- Zusätzliche namen:
- Генрих Лозе, Heinrihs Loze, Heinrich,
- Kategorien:
- Kriegsverbrecher, Offizier, Soldat, Teilnehmer des Ersten Weltkriegs, Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs, bezug auf die Republik Lettland
- Nationalitäten:
- deutsche
- Friedhof:
- Geben Sie den Friedhof
Hinrich Lohse (* 2. September 1896 in Mühlenbarbek; † 25. Februar 1964 ebenda) war ein deutscher Kaufmann, Bankangestellter und nationalsozialistischer Politiker. Von 1925 bis 1945 war er Gauleiter in Schleswig-Holstein. 1933 wurde er zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein in Preußen ernannt, eine Position, die er bis 1945 innehatte. Damit bekleidete er das höchste Amt in der Provinz während des Dritten Reichs. Zwischen Juli 1941 und Dezember 1944 war er außerdem der höchste Verwaltungschef der Zivilverwaltung im Reichskommissariat Ostland. In dieser Position war er einer der Hauptverantwortlichen für den im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten begangenen Völkermord, insbesondere hinsichtlich des Genozids an der jüdischen Bevölkerung. Seine Dienststelle mit Sitz in Riga unterstand unmittelbar dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, das unter der Führung des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg stand. Er wurde nach dem Krieg von deutschen Behörden für seine Verbrechen nicht zur Verantwortung gezogen.
Herkunft und Jugend
Der gelernte Kaufmann stammte aus einer kleinbäuerlichen Familie. Von 1903 bis 1912 besuchte er in seinem Heimatort Mühlenbarbek in Schleswig-Holstein die Volksschule, anschließend die höhere Handelsschule, welche später sein bedeutend jüngerer Bruder Bernhard Lohse (* 14. September 1919 in Mühlenbarbek; † 12. Juli 1993 in Nortorf) ebenfalls absolvierte. Bernhard Lohse war ebenfalls Kaufmann, NSDAP-Mitglied und während des 2. Weltkrieges innerhalb der Wehrmacht zeitweise auf einem Stützpunkt in Norditalien als Funker eingesetzt. 1913 arbeitete Hinrich Lohse als Angestellter in der Werft Blohm & Voss in Hamburg. Während des Ersten Weltkrieges diente er vom 23. September 1915 bis zu seiner Entlassung am 30. Oktober 1916, die aufgrund einer Kriegsverletzung erfolgte, im Heer.
Weimarer Republik
Regionaler KarrierestartHinrich Lohse war seit 1919 zunächst Mitarbeiter des Schleswig-Holsteinschen Bauernvereines, dann ab 1920 Generalsekretär der Schleswig-Holsteinischen Bauern- und Landarbeiterdemokratie, die sich kurze Zeit später in Schleswig-Holsteinische Landespartei umbenannte. Ab 1921 arbeitete er als Bankangestellter in Altona.
Karriere in der NSDAP1923 trat er der NSDAP bei, deren Altonaer Ortsgruppe er unter anderem mit Emil Brix und Paul Moder aufbaute. 1924, während des NSDAP-Verbots, wurde er auf der Listenverbindung Völkisch-Sozialer Block in das Stadtverordnetenkollegium von Altona/Elbe gewählt. Die Tätigkeit als Stadtverordneter von Altona übte er zwischen 1924 und 1928 aus.
Im Juli 1924 lernte er den NS-Chefideologen Alfred Rosenberg kennen. Rosenberg war auf Lohse wegen seiner veröffentlichten Schrift Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP aufmerksam geworden. Die Begegnung fiel genau in die Zeit, als Adolf Hitler in Festungshaft saß und Rosenberg sich wegen zahlreichen politischen Enttäuschungen von der Spitze der NS-Bewegung kurzzeitig zurückzog. In der Folge der Begegnung ist zwischen Lohse und Rosenberg eine langjährige, enge politische Verbindung entstanden, die bis zum Kriegsende und dem Zerfall des nationalsozialistischen Regimes im Jahre 1945 anhielt.
Nach Wiederzulassung der NSDAP und Gründung des Gaues Schleswig-Holstein (am 1. März 1925 in Neumünster) wurde Lohse am 27. März 1925 dessen Gauleiter; eine Stellung, die er bis zum Ende des Dritten Reiches innehatte. In den 1920er Jahren führte er verschiedene national orientierte bäuerliche Verbände aus Norddeutschland in die NSDAP über.
Im Februar 1926 fand – in unmittelbarer Folge der Annahme des neuen NSDAP-Parteiprogramms in Norddeutschland – die Bamberger Führertagung statt, an der auch Hinrich Lohse teilnahm. Aus finanziellen Gründen kamen aus dem Norden nur vereinzelt Delegierte. Teilnehmer dieser Tagung waren unter anderem Joseph Goebbels, Gregor Strasser, Theodor Vahlen, Bernhard Rust, Joseph Klant, Karl Ernst und Hans Severus Ziegler. Dort musste der linke Flügel der Partei unter Gregor Strasser und Joseph Goebbels seine Programmforderungen zurückziehen. Die Auseinandersetzungen, die Lohse in jenen Tagen miterlebte, schlugen sich in einem Tagebucheintrag von Goebbels nieder. Er schrieb: „Eine grauenvolle Nacht. Wohl eine der größten Enttäuschungen meines Lebens. Ich glaube nicht mehr restlos an Hitler. Das ist das Furchtbare: mir ist der innere Halt genommen. Ich bin nur noch halb.“ Adolf Hitler ging gestärkt aus dieser Auseinandersetzung hervor, vereinte die Parteiflügel und wurde alleiniger Führer der NSDAP. Mit der wenig später verabschiedeten Parteisatzung vom 22. Mai 1926 war der Sieg über die Strasser Gruppe vollkommen.
1928 wurde Lohse Gau-Leiter der Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur (NGDK), eine von Alfred Rosenberg gegründete völkisch-politische Organisation, die kurze Zeit später in Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK) umbenannt wurde.
Zwischen 1928 und 1929 verwaltete Lohse zeitweilig auch den NSDAP-Gau Hamburg. Von 1928 bis 1933 war er Mitglied des Preußischen Landtages und dort von 1932 bis 1933 stellvertretender Vorsitzender der NSDAP-Fraktion. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 wurde er als Kandidat der NSDAP für den Wahlkreis Schleswig-Holstein in den Reichstag gewählt, schied aber am 2. September 1932 wieder aus.
Nationalsozialismus
Politische Aktivitäten in der NSDAP und Schleswig-HolsteinLohse war unumschränkter Herrscher in Schleswig-Holstein. Kurz nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten wurde er am 25. März 1933 zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt. 1934 wurde Lohse SA-Gruppenführer, 1943 SA-Obergruppenführer. 1939 wurde er, wie alle Gauleiter zu diesem Zeitpunkt, zum Reichsverteidigungskommissar ernannt. 1937 hatte ihn das Altonaer Stadtverordnetenkollegium, kurz vor dem Erlass des Gesetzes über die Eingemeindung Altonas nach Hamburg, zum Ehrenbürger der Stadt er- und die König- in Hinrich-Lohse-Straße umbenannt. Beide Maßnahmen wurden nach der Befreiung 1945 rückgängig gemacht. Von 1933 bis 1945 war Lohse von Hitler zum Mitglied des deutschen Reichstags bestimmt worden.
Als Hinrich Lohse 1941 zum Reichskommissar für das Ostland ernannt wurde, behielt er seine Position als Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein und Gauleiter bei. Zwischen 1941 und Herbst 1944 pendelte er abwechselnd zwischen Riga und Kiel, um beide Ämter ausüben zu können. Für die Zeit seiner Aufenthalte in Riga wurde Lohse von dem Gaugeschäftsführer (1941 bis 1945) Werner Stiehr in Kiel vertreten.
Chef der Nordischen GesellschaftAm 2. Juni 1934 wurde die seit 1921 bestehende Nordische Gesellschaft, für die eine als „nordisch“ definierte Rasse der Inbegriff der „germanisch-deutschen“ Kulturüberlegenheit war, dem Außenpolitischen Amt (APA) von Alfred Rosenberg unterstellt. Noch am selben Tag übernahm Hinrich Lohse den Vorsitz dieser Gesellschaft. Diese Chefposition behielt er bis 1945 bei.
Zum „großen Rat“ dieser Gesellschaft gehörten neben Hinrich Lohse auch Heinrich Himmler und Walther Darré. Neben Presse- und Wirtschaftsdiensten veröffentlichte die Nordische Gesellschaft die Monatszeitschrift Der Nordensowie die von Hans F. K. Günther herausgegebene Zeitschrift Die Rasse.
Im Oktober 1935 verfasste Rosenberg einen Tätigkeitsbericht seines APA, aus dem ersichtlich wird, dass er und Hinrich Lohse mit der Nordischen Gesellschaft vor allem politische Ziele mit internationalistischer Ausrichtung verfolgt haben. Dem Bericht ist unter anderen zu entnehmen:
„Handelspolitisch sind meines Erachtens viel mehr Unterlassungssünden begangen worden und so hat sich das A.P.A bewußt mehr auf die kulturpolitischen Aufgaben beschränkt. Zu diesem Zweck hat es die Nordische Gesellschaft ausgebaut, die früher kleine Gesellschaft ist in diesen 2 Jahren der Betreuung durch das A.P.A. zu einer entscheidenden Vermittlungsstelle der gesamten deutsch-skandinavischen Beziehungen geworden. Ihr Leiter (Lohse) ist vom A.P.A. bestimmt, die Kontore in allen Gauen werden vom entsprechenden Gauleiter geleitet. Mit Wirtschaftsgruppen und anderen Organisationen und Gliederungen der Partei, die nach Skandinavien hin Beziehungen unterhalten, sind entsprechende Abkommen getroffen worden, so daß der nahezu ganze Verkehr zwischen Deutschland und Skandinavien heute durch die Hand der Nordischen Gesellschaft geht.“
Reichskommissar für das Ostland „Aufruf des Reichskommissars für das Ostland, Hinrich Lohses, an das lettische Volk“, unterzeichnet in Kauen (Kaunas) am 28. Juli 1941, gedruckt in der lettischen nationalistischen Zeitung Tevija vom 8. August 1941 Amtseinsetzung und ProgrammHinrich Lohse wurde im Zuge des Entstehungsprozesses des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete(RMfdbO) bereits am 7. April 1941 in einer von Alfred Rosenberg verfassten Denkschrift als Reichskommissar vorgeschlagen. Rosenberg hatte diesen Vorschlag gegenüber Hitler durchsetzen können. Am 25. Juli 1941, gut einen Monat nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, wurde Hinrich Lohse zum Reichskommissar für das gesamte Ostland (Lettland, Litauen, Estland und Weißruthenien) ernannt. In dieser Position war er der oberste Chef der Zivilverwaltung vor Ort. Seine Dienststelle war in Riga, der ehemaligen Studiumsstadt von Rosenberg, auf der Adolf-Hitler-Straße (zuvor und heute: Brīvības iela (Freiheits-Straße)). Während der Nürnberger Prozesse hat Rosenberg nochmals den Grund angegeben, warum er Lohse für dieses Amt ausgewählt hatte. Er schrieb: „Lohse selbst schien mir behäbig genug, um dort nichts zu überstürzen und auch das persönliche Verhältnis schien eine gute Zusammenarbeit zu sichern. ›Ich will nichts anderes sein, als dein politisches Echo‹, betonte er.“ Schon im August 1941 erließ Lohse die Vorläufigen Richtlinien für die Behandlung der Judenfrage, in der Juden und „Mischlingen“ eine Kennzeichnung verordnet, das Benutzen der Gehsteige und öffentlicher Verkehrsmittel sowie jeder Schulbesuch verboten und durch die jüdisches Vermögen beschlagnahmt wurde. Daraufhin kam es zu einer Kontroverse mit Hans-Adolf Prützmann und Walther Stahlecker, die die „neuen Möglichkeiten zur Bereinigung der Judenfrage“ nicht ausgeschöpft sahen.
Nach seiner Amtseinführung besetzte Lohse zunächst zahlreiche wichtige Posten mit ihm seit langem bekannten Gesinnungsfreunden aus Schleswig-Holstein. Nur wenige Tage später, bereits im August 1941, brachte er zum Ausdruck, unter welchem Vorzeichen sein „ziviles“ politisches Programm vor Ort möglichst schnell umzusetzen sei, indem er von seinem Minister Alfred Rosenberg Anweisungen für die „Behandlung von Juden“ in seinem Gebiet forderte. Auf Dauer, so hieß es, sei ein Verbleib „der Juden“ im Ostland undenkbar und Deportationen ohne großes Aufsehen – entsprechend der politischen Anweisung des RMfdbO – seien nicht durchführbar. Deshalb schlug er dem RMfdbO vor, dass möglichst sofort mit „polizeilichen Maßnahmen“ gegen die dortigen jüdischen Bevölkerungsanteile begonnen werden sollte. Der Brief macht deutlich, dass Lohse kurz nach seinem Amtsantritt möglichst frühzeitig in direkte Kooperation mit den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD vor Ort zu treten wünschte, was in der Folgezeit auch durchgängig geschah.
Beteiligung an RaubzügenHinrich Lohse hatte zügig deutlich gemacht, dass er der vom RMfdbO verfolgten Rassenideologieund den damit verbundenen Massenmorden an der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten strikt folgte. Hinzu kam, dass er vom RMfdbO ebenso schnell in den organisatorischen Ablauf des Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) eingebunden wurde, der bis Kriegsende Raubzüge in ganz Europa durchführte. Am 20. August 1941 forderte Rosenberg Lohse in einem Brief dazu auf, ausdrücklich zu untersagen, dass irgendwelche Kulturgüter ohne Genehmigung des Reichskommissars von irgendwelchen Stellen fortgeführt werden.und teilte Lohse mit, dass Gerhard Utikal als Leiter des ERR mit der „Sicherstellung“ von Kulturgütern in der Sowjetunion beauftragt worden war. Somit beteiligten sich Lohse und Utikal in führenden Positionen, in Zusammenarbeit und zunächst in allgemeiner Geheimhaltung an den Raubzügen vor Ort, noch bevor Utikal am 2. Oktober 1941 den offiziellen Auftrag für derartige „Sicherstellungen“ erhielt.
Rosenbergs Forderung, dass die Raubzüge allgemein nicht ohne die Abstimmung mit Lohse erfolgen sollten, führte nur wenige Tage später zu Konflikten zwischen Lohse und der Militärverwaltung. So hielt Otto Bräutigam, Verbindungsmann des RMfdbO zum Auswärtigen Amtsowie zum Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und Oberkommando des Heeres (OKH), am 24. September 1941 in seinem Tagebuch fest, dass eine „lange Aussprache mit Reichskommissar Lohse über seinen Konflikt mit dem Wehrmachtsbefehlshaber“ stattgefunden habe. Und als sich Bräutigam am 26. September 1941 im Führerhauptquartier (FHQ) in der „Wolfsschanze“ aufhielt, wurden ihm von Oberstleutnant Kurt von Tippelskirch Beschwerden des OKW gegen Hinrich Lohse vorgetragen. Am 11. Oktober 1941 nahm Hinrich Lohse an einer großen Sitzung mit Otto Bräutigam und Generalleutnant z.V. Walter Braemer teil. Der Konflikt zwischen Lohse und der Wehrmacht führte so weit, dass Lohse Generalleutnant Braemer öffentlich ohrfeigte.
Am 22. Oktober 1941 fuhr Reichsarbeitsführer Konstantin Hierl nach Riga, um sich mit Hinrich Lohse zu besprechen. Gegenstand des Gesprächs waren, wie Martin Vogt aus den überlieferten Quellen erschlossen hat, die Aktivitäten des ERR und Hitlers konkreter Wunsch nach einer Ausgestaltung des Museums im oberösterreichischen Linz, wo Teile der im Reichskommissariat Ostland erbeuteten Kulturgüter untergebracht werden sollten.
Beteiligung am GenozidEnde 1941 zeichnete sich die Mitwirkung von Hinrich Lohse beim Holocaust immer deutlicher ab. Am 25. Oktober 1941 schrieb Erhard Wetzel, „Judensachbearbeiter“ in der Politischen Abteilung des RMfdbO unter Otto Bräutigam, einen Brief an Hinrich Lohse. Dieser Brief, der so genannte Gaskammerbrief, ist das früheste schriftliche Zeugnis, das die Verbindung zwischen der T4-Aktion und dem Genozid an der jüdischen Bevölkerung in Europa dokumentiert. Anlässe des Briefes waren, wie Wetzel schrieb, „sehr zahlreiche Erschießungen von Juden“ in Wilna. Ziel müsse es deshalb sein, eine geordnete Lösung jenseits der Öffentlichkeit durchzuführen, und Viktor Brack habe sich schon bereit erklärt, „bei der Herstellung der erforderlichen Unterkünfte [= Gaskammern] sowie der Vergasungsapparate mitzuwirken“. Nur zwei Tage später richtete im Reichskommissariat Ostland, in Sluzk, das Reserve-Polizei-Bataillon 11 unter den dortigen Juden ein Blutbad an. Der Kommandeur hatte den Auftrag erhalten, die Stadt „von Juden freizumachen“. Und am 31. Oktober 1941, als Hitler den Masseneinsatz russischer Kriegsgefangener in der deutschen Kriegswirtschaft anordnete, schrieb Georg Leibbrandt, Hauptabteilungsleiter der Politischen Abteilung im RMfdbO, an Reichskommissar Hinrich Lohse einen weiteren Brief, in dem es hieß: „Von Seiten des Reichs- und Sicherheitshauptamtes wird Beschwerde darüber geführt, dass der Reichskommissar Ostland Judenexekutionen in Libau untersagt habe. Ich ersuche in der betreffenden Angelegenheit um umgehenden Bericht. Im Auftrag gez. Dr. Leibbrandt“ 15 Tage später, am 15. November 1941, schickte Lohse ein Antwortschreiben an Leibbrandt. Darin ist zu lesen:
„Ich habe die wilden Judenexekutionen in Libau untersagt, weil sie in der Art ihrer Durchführung nicht zu verantworten waren. Ich bitte, mich zu unterrichten, ob Ihre Anfrage vom 31. Oktober als dahingehende Weisung aufzufassen ist, dass alle Juden im Ostland liquidiert werden sollen? Soll dieses ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht und wirtschaftliche Interessen (z. B. der Wehrmacht an Facharbeitern in Rüstungsbetrieben) geschehen? Selbstverständlich ist die Reinigung des Ostlandes von Juden eine vordringliche Aufgabe. Ihre Lösung muss aber mit den Notwendigkeiten der Kriegswirtschaft in Einklang gebracht werden. Weder aus den Anordnungen zur Judenfrage in der ‚Braunen Mappe‘ noch aus anderen Erlassen konnte ich bisher eine solche Weisung entnehmen.“
Das Schreiben macht deutlich, dass sich Hinrich Lohse zu diesem Zeitpunkt noch unsicher war, ob kriegswirtschaftliche Belange – wie vor allem der Einsatz von Juden im NS-Programm der Zwangsarbeit – überhaupt noch von Interesse sein sollten. Am 18. Dezember 1941 klärte Otto Bräutigam, der am 6. Oktober 1941 die Leitung der „Politischen Hauptabteilung“ des RMfdbO übernommen hatte, in einem Schreiben an Hinrich Lohse die diesbezügliche Unsicherheit:
„In der Judenfrage dürfte inzwischen durch mündliche Besprechungen Klarheit geschaffen sein. Wirtschaftliche Belange sollen bei der Regelung des Problems grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen wird gebeten, auftauchende Fragen unmittelbar mit dem Höheren SS- und Polizeiführer zu regeln. Im Auftrag gez. Bräutigam.“
Diese Mitteilung, nach der Lohse seinen Protest aufgab, erfolgte nur einige Tage nach der öffentlichen Bekanntgabe der Existenz des RMfdbO, das bis dahin von der allgemeinen Öffentlichkeit unbemerkt geblieben war. Am 12. November 1941 wurde erstmals öffentlich verkündet, dass das RMfdbO für die besetzten Ostgebiete zuständig sei und neben Erich Koch(der in der Ukraine als Reichskommissar eingesetzt war) auch Hinrich Lohse für das RMfdbO arbeiten würde. Der Grund für diese Offenlegung war, dass – wie Joseph Goebbels in sein Tagebuch schrieb – „die Ämter schon lange wahrgenommen“ worden seien.
Lohse war Anfang Dezember 1941 Augenzeuge einer Aktion, bei der unter dem Kommando von Friedrich Jeckeln im Wald von Rumbula Tausende von lettischen Juden erschossen wurden.
Am 14. Februar 1942, nur wenige Tage nach der Wannsee-Konferenz und der ersten Nachfolgekonferenz im RMfdbO (31. Januar 1942), traf sich Hinrich Lohse mit Otto Bräutigam, der sich noch am selben Abend mit Gerhard Rose, dem Generalarzt der Reichsleitung und Initiator von verbrecherischen medizinischen Experimenten an KZ-Häftlingen, und Harald Waegner, dem Leiter der „Abteilung Gesundheitswesen und Volkspflege“ in Rosenbergs Ostministerium, unterhalten hatte.
Am 26. März 1942 tagte die Zivilverwaltung des Reichskommissariats Ostland unter Lohses Vorsitz. Nach allseitiger Auffassung müsse die Judenfrage gelöst werden. Es sei bedauerlich, dass das bisher eingeschlagene Verfahren (die Massenexekutionen an den Juden), „so sehr es auch eine politische Belastung“ darstelle, zunächst wieder aufgegeben worden sei. Der jetzige Zustand, dass den Juden zum Teil keinerlei Nahrungsmittel zugeteilt werde, sei keine Lösung. Generalkommissar Kube lege Wert darauf, dass „bei der Liquidierung korrekt vorgegangen“ werde.
Am 1. Mai 1942 traf Oberregierungsrat Friedrich Karl Vialon, abgeordnet vom Reichsfinanzministerium, in Riga ein. Vialon wurde in Lohses Dienststelle neuer Chef der Finanzabteilung, weil Lohse seinen Vorgänger für „nicht ostlandfähig“ hielt. Nur zwei Monate zuvor hatten Sicherheitspolizisten alle Mütter mit kleinen Kindern sowie die Alten, Gebrechlichen und Kranken aus Riga und Umgebung zur Vernichtung aussortiert. Hauptaufgabe von Vialon war in dieser Zeit die Vereinnahmung jüdischen Vermögens.
Am 31. Juli 1942 schrieb Wilhelm Kube, Generalkommissar für Weißruthenien, aus Minsk in einem Brief mit dem Betreff „Partisanenkampf und Judenaktion im Generalbezirk Weißruthenien“ an Hinrich Lohse: „Bei allen Zusammenstößen mit Partisanen in Weißruthenien hat es sich herausgestellt, daß das Judentum sowohl im ehemals polnischen Teil Hauptträger der Partisanenbewegung ist. Infolgedessen ist die Behandlung des Judentums in Weißruthenien … eine hervorragende politische Angelegenheit.“ Wer ohnehin als „Partisane“ zu gelten habe, hatte Heinrich Himmler bereits am 18. Dezember 1941 festgelegt, indem er in seinem Terminkalender notierte: „Judenfrage – als Partisanen ausrotten“.
Am 18. Juni 1943 schrieb Lohse in einem Brief an Rosenberg:
„Daß die Juden sonderbehandelt werden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Daß dabei aber Dinge vorgehen, wie sie in dem Bericht des Generalkommissars [Kube] vom 1.6.43 vorgetragen werden, erscheint kaum glaubhaft. Was ist dagegen Katyn? Man stelle sich nur einmal vor, solche Vorkommnisse würden auf der Gegenseite bekannt und dort ausgeschlachtet!“
Kurz vor dem endgültigen Zerfall des NS-Regimes erkrankte Lohse. Im Dezember 1944 übergab Hitler Lohses Posten an Erich Koch, der bis dahin allein für das Reichskommissariat Ukraine zuständig war. Gleichzeitig teilte Hans Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei, Rosenberg mit, dass er Koch „in seiner Entfaltung nicht behindern“ sollte.
Strafverfolgung und Entnazifizierung
Nach dem Kriege verwiesen ehemalige Mitarbeiter des Ostministeriums auf gelegentliche Proteste gegen Massaker an den Juden. Jedoch „beklagten die Beamten weniger die Morde an sich als vielmehr die Art ihrer Ausführung.“
Am 6. Mai 1945 wurde Lohse durch den Reichspräsidenten Karl Dönitz als Gauleiter und Oberpräsident von Schleswig-Holstein abgesetzt. Es wurde behauptet, dass er mit dem Gauleiter von Ostpreußen Erich Koch zusammen ein U-Boot verlangt habe, um sich nach Südamerika absetzen zu können. Am 25. Mai 1945 wurde er vom britischen Militär festgenommen. Im Herbst 1947 wurde Lohse nach Nürnberg überstellt und dort u. a. von Robert Kempner am 11. Dezember 1947 vernommen.
Im Januar 1948 wurde Hinrich Lohse, als ehemaliger „Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete“ und „Mitwisser an der Massenvernichtung in den Gaskammern“, von der Spruchkammer Bielefeld zu zehn Jahren Haft und Vermögensentzug verurteilt. 1951 wurde er krankheitshalber wieder entlassen.
Im Entnazifizierungsverfahren wurde Lohse vom Kieler Entnazifizierungsausschuss lediglich als Belasteter in die Kategorie III eingestuft. Auch ein weiteres staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde in der Folgezeit eingestellt. Angesichts der unverhältnismäßigen Milde, die diese strafrechtliche Einstufung – wie auch die zahlreicher anderer Nationalsozialisten – in der Entstehungsphase der noch jungen Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck bringt, zeigte sich partiell Empörung noch Jahrzehnte später. So bezeichneten beispielsweise im Jahre 2005 die Buchautoren Uwe Danker und Astrid Schwabe diese Einstufung angesichts des Genozids sowie der Führungsrolle Lohses in Schleswig-Holstein und im Reichskommissariat als „absurd“.
Im November 1951 erstritt sich Hinrich Lohse 25 Prozent seiner Pensionsansprüche, nachdem er Ende Oktober 1951 eine Klage gegen die Landesregierung von Schleswig-Holstein in Kiel einreichte. Der Grund war, dass Innenminister Paul Pagel die von der Spruchkammer bewilligten 25 Prozent seiner Oberpräsidenten-Pension erst dann auszahlen wollte, wenn der Bund seine Zustimmung gegeben habe. Lohse hatte zudem behauptet, dass er lediglich seine Finanzen wegen schriftstellerischer Tätigkeit mit seinen Pensionsansprüchen sanieren wollte, weil er an einem Buch über die Geschichte der NSDAP arbeite. Die Gewährung einer Oberpräsidenten-Pension wurde auf Druck des schleswig-holsteinischen Landtages später allerdings widerrufen.
1961 musste Lohse im Koblenzer Prozess gegen Carl Zenner aussagen. 1967, also erst nach seinem Tod, wurde noch ein neuerliches Ermittlungsverfahren gegen ihn angestrengt.
Aufgrund des Einsatzes einer Bürgerinitiative beschlossen die Stadtverordneten von Nortorf 2013, Lohses Ehrenbürgerschaft zugleich mit der Hitlers formal abzuerkennen.
Ursache: wikipedia.org
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Name | Beziehung | Beschreibung | ||
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1 | Friedrich Jeckeln | Arbeitskollege | ||
2 | Adolf Hitler | Gleichgesinnte, Kommandant |
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