Weimarer Republik
Als Weimarer Republik (zeitgenössisch auch Deutsche Republik) wird der Abschnitt der deutschen Geschichte von 1918 bis 1933 bezeichnet, in dem erstmals eine parlamentarische Demokratie in Deutschland bestand. Diese Epoche löste die konstitutionelle Monarchie der Kaiserzeit ab und begann mit der Ausrufung der Republik am 9. November 1918. Sie endete mit der NS-Machtergreifung infolge der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933.
Die Weimarer Republik entstand im Zuge der Novemberrevolution. Diese Bezeichnung der ersten auf nationalstaatlicher Ebene verwirklichten deutschen Republik ist auf den ersten Tagungsort der Verfassunggebenden Nationalversammlung, die Stadt Weimar, zurückzuführen. Der Staatsname Deutsches Reich wurde beibehalten.
Nachdem zunächst der Rat der Volksbeauftragten die Regierungsgewaltausgeübt hatte, wurde auf Beschluss des Reichsrätekongresses am 19. Januar 1919 die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung abgehalten. Am 11. Februar wählte die Nationalversammlung Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten, der am 13. Februar das Kabinett Scheidemann ernannte. Die Weimarer Reichsverfassung trat am 14. August 1919 in Kraft. Sie konstituierte das Deutsche Reich als föderative Republik. Staatsoberhaupt war der für eine Amtszeit von sieben Jahren direkt vom Volk gewählte Reichspräsident, der als Teil der Exekutive über weitreichende Befugnisse verfügte. Die Regierung führte der vom Reichspräsidenten zu ernennende und zu entlassende Reichskanzler, der dem Deutschen Reichstag gegenüber verantwortlich war. Als Volksvertretung mit umfassenden Gesetzgebungs-, Budget- und Kontrollrechten wurde der Reichstag für eine Legislaturperiode von vier Jahren nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Die Länder vertrat der Reichsrat. Die Parlamente auf Landesebene nannten sich Landtage, im Januar 1919 bildete sich der erste im Freistaat Mecklenburg-Strelitz.
Die Geschichte der Weimarer Republik lässt sich nach der Gründungsphase in drei Abschnitte gliedern. In den Krisenjahren von 1919 bis 1923 hatte die Republik mit den unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation sowie zahlreichen Umsturzversuchen und politischen Morden zu kämpfen. In den Jahren von 1924 bis 1929 erlebte sie eine Zeit relativer Stabilität, wirtschaftlicher Erholung sowie außenpolitischer Anerkennung und Wertschätzung. Die Weltwirtschaftskrise ab Ende 1929, die Präsidialkabinette nach dem Bruch der Großen Koalition am 27. März 1930 und der Aufstieg der Nationalsozialisten mündeten schließlich in ihren Untergang.
Grundzüge
Die Republik hatte mehrere Strukturprobleme aus der Kaiserzeit geerbt, so die Wirtschafts- und Sozialordnung sowie die konfessionell geprägte Schulpolitik. Dazu kamen Phänomene, die das Scheitern der Weimarer Demokratie direkt beeinflussten:
- Der Erste Weltkrieg hinterließ schwere ökonomische und soziale Lasten. Insbesondere die faktische Enteignung vieler Bürger durch die Hyperinflationund die nach dem Versailler Vertrag geforderten Reparationen erwiesen sich als – nicht zuletzt psychologische – Belastung und lieferten den Gegnern der Republik Munition für ihre Agitation gegen die „Erfüllungspolitik“.
- Da die demokratischen Politiker im Kaiserreich von der Führung der Staatsgeschäfte ausgeschlossen gewesen waren, stützten sie sich in Militär, Verwaltung und Justiz weiterhin auf das vorhandene Personal, das die republikanische Staatsform und die Demokratie jedoch weitgehend ablehnte. Mit Ausnahme Preußens fand keine grundlegende Demokratisierung der Beamtenschaft statt. Symptomatisch dafür waren die vielfach politisch motivierten Urteile der Justiz: Rechte Straftäter wurden vielfach mit wesentlich milderen Urteilen belegt als linke.
- Auch große Teile der Bevölkerung lehnten bürgerliche Demokratie und Republik ab: Konservative und Rechtsextreme vertraten die Dolchstoßlegende, nach der nicht die kaiserliche, sondern die neue demokratische Regierung für die Kriegsniederlage und den als demütigend empfundenen Friedensvertrag von Versailles verantwortlich gewesen sei. Auf der Linken hatten die Kämpfe während der Novemberrevolution zu einer unversöhnlichen Haltung der Kommunisten gegenüber den Sozialdemokraten geführt, die sie von einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Feinde der Republik abhielten.
Die Weimarer Verfassung galt zu ihrer Zeit als eine der fortschrittlichsten überhaupt. Sie war nach der Märzrevolution von 1848 der zweite – und erste erfolgreiche – Versuch, eine liberale Demokratie in Deutschland zu etablieren. Die schon unter Zeitgenossen verbreitete These, der Staat von Weimar sei eine „Demokratie ohne Demokraten“ gewesen, ist nur bedingt richtig, weist aber auf ein wesentliches Problem hin: Es gab keinen tragfähigen Verfassungskonsens, der alle Teile des politischen Spektrums von rechts bis links eingebunden hätte. Nach dem Tod des ersten Reichspräsidenten, des SPD-Politikers Friedrich Ebert, wurde 1925 mit Paul von Hindenburg ein konservativer Nachfolger gewählt, der der republikanischen Staatsform betont kritisch gegenüberstand.
Die meisten politischen Parteien zur Zeit der Weimarer Republik hatten ihre ideologische Ausrichtung von ihren unmittelbaren Vorgängern im Kaiserreich übernommen und vertraten weitgehend die Interessen ihrer jeweiligen Klientel. Die Aufteilung nach Interessengruppen und Sozialmilieus wie Arbeiterbewegung oder Katholiken wurde als Partikularismus gescholten. Im Reichstag, dem Parlament, waren zeitweise bis zu 17 und selten weniger als 11 verschiedene Parteien vertreten. In 14 Jahren gab es 20 Kabinettswechsel. Elf Minderheitenkabinette waren von der Duldung durch Parteien abhängig, die nicht zur Regierungskoalition gehörten.
Die relative Stabilisierung der Weimarer Republik nach dem Ende der Großen Inflation endete mit den wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen, die dem Schwarzen Freitag der New Yorker Börse 1929 gerade in Deutschland folgten. Der Abzug von kurzfristigen Krediten amerikanischer Investoren, die einen zwischenzeitlichen Aufschwung gespeist hatten, trug zu der einsetzenden Wirtschaftsdepression wesentlich bei: stockender Warenabsatz, rückläufige Produktion, Massenentlassungen und -arbeitslosigkeit samt schwindender Kaufkraft bewirkten eine Abwärtsspirale ungekannten Ausmaßes, der die im Aufbau befindlichen sozialen Sicherungssysteme nicht gewachsen waren.
Da es seit März 1930 keine von der Reichstagsmehrheit getragene Regierung mehr gab, regierten Reichspräsident Hindenburg und die von ihm ernannten Reichskanzler von da an vor allem mit Hilfe von Notverordnungen. Die Reichstagswahlen 1930 zeitigten den Aufstieg der rechtsradikalen NSDAP zu einer bedeutenden Kraft im Weimarer Parteienspektrum. Seit dem Sommer 1932 verfügten die republik- und demokratiefeindlichen Parteien, neben der NSDAP die rechtskonservative Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die linksradikale Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), zusammen über eine negative Mehrheit im Reichstag. Mit der DNVP und anderen rechtskonservativen Kräften bildete sich um Adolf Hitler als Parteiführer der Nationalsozialisten Anfang 1933 eine neue, zur Macht drängende Kräftekonstellation. Am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt, gelang es Hitler in kurzer Zeit, die demokratischen, rechtsstaatlichen und föderalen Strukturen der Republik zu zerstören und seine Diktatur durchzusetzen.
Bezeichnung
Zeitgenössische Befürworter und Gegner der Republik sprachen vor allem von der Deutschen Republik. Die beiden sozialdemokratischen Parteien wollten in der Nationalversammlung 1919 diese Bezeichnung auch als Staatsnamen durchsetzen, weil sie den staatlichen Neuanfang betonen wollten. Das Wort Reich sollte wegen des darin mitschwingenden imperialen Anspruchs vermieden werden. Die liberalen Parteien, auch der Verfassungsrechtler Hugo Preuß, wollten dagegen die Tradition des Staatsnamens Deutsches Reich beibehalten. Dem stimmten die Vertreter des Zentrums und die Deutschnationalen zu. Später allerdings vertraten Teile der Rechten die Auffassung, die Republik habe den alten Namen nicht verdient. Der erste Verfassungsartikel Das Deutsche Reich ist eine Republik war also ein Kompromiss.
Die Verbindung mit dem Stadtnamen Weimar wurde zunächst nur im Zusammenhang mit der Verfassung verwendet; erst 1929, zu deren zehnjährigem Jubiläum, sprachen rückwärtsgewandte Konservative, der Nationalsozialist Hitler und auch das Organ der Kommunisten von der Weimarer Republik. 1932 tauchte dieser Ausdruck aber auch in der republiktreuen Vossischen Zeitung auf.
Frühe Rückschauen auf die Republik verwendeten den Begriff ebenfalls selten. Arthur Rosenbergs Werk von 1935 hieß Geschichte der deutschen Republik. Spätere Neuausgaben dieses und anderer Bücher nutzten die Bezeichnung „Weimarer Republik“ im Titel oder im Untertitel. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich in Publizistik und historischer Forschung allgemein durch. 1946 erschien das erste Werk mit dem Titel Weimarer Republik. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde diese in analoger Anlehnung an den Ort der Verfassungsgebung vielfach als Bonner Republik, mitunter auch als „Zweite Republik“, im Gegensatz zur „Ersten Republik“ von Weimar, bezeichnet. Heute dienen die Begriffe Weimarer Republik, Bonner Republik und Berliner Republik der Unterscheidung zwischen den drei demokratischen Geschichtsepochen Deutschlands.
Geschichte
Gründung einer Republik (1918/1919)
Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die zur Entstehung der Weimarer Republik führten, wurden wesentlich von den am Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland eingetretenen innen- und außenpolitischen Konstellationen und Kräfteverhältnissen bestimmt. Bedeutsame Wirkungsfaktoren dabei waren
- das überraschende Eingeständnis der militärischen Niederlage durch die Oberste Heeresleitung (OHL),
- die dadurch energisch beschleunigte Umwandlung des Herrschaftssystems in eine parlamentarische Monarchie im Laufe des Oktobers 1918 (Oktoberreform),
- die von den gegen weitere Kriegseinsätze meuternden Matrosen in Gang gesetzte revolutionäre Bewegung der Soldaten und Arbeiter im November 1918 und
- die von Seiten der Mehrheitssozialdemokratie breit befürwortete und durch den Reichsrätekongress im Dezember 1918 beschlossene Errichtung einer parlamentarischen Demokratie.
Dass der Reichskanzler künftig des Vertrauens der Reichstagsmehrheit bedurfte, war nicht nur als verfassungsstrukturelle Neuerung bedeutsam, sondern spiegelte in der gegebenen Lage auch unterschiedliche Motive: Man hoffte, indem man sich den von US-Präsident Woodrow Wilsonformulierten Forderungen annäherte, auf mildere Friedensbedingungen. Der OHL aber ging es darum, die Verantwortung für einen gewiss schwierigen Friedensschluss auf die Volksvertreter abzuwälzen. Als die amerikanische Antwort auf das deutsche Waffenstillstandsbegehren im Kern auf die militärische Kapitulation des Deutschen Reiches und auf die Abdankung des Kaisers zielte, vollzog die OHL eine Kehrtwende und befahl den Truppen weiterzukämpfen. Auslösendes Moment der nachfolgenden Novemberrevolution war der Befehl der Seekriegsleitung vom 30. Oktober, die Hochseeflotte auslaufen zu lassen, der zwar die Zustimmung Kaiser Wilhelms II. hatte, nicht aber die des Reichskanzlers Prinz Max von Baden. Anscheinend ging es der Seekriegsleitung darum, „die Machtverschiebung im Innern rückgängig zu machen und dem Militär wieder zu jener beherrschenden Stellung zu verhelfen, auf die es einen historischen Anspruch zu haben meinte.“
Die Befehlsverweigerung und Erhebung der Marinesoldaten in Wilhelmshaven und Kiel gegen die sinnlos erscheinende Selbstaufopferung wurde für ganz Deutschland zu einem Revolutionssignal. Von Norddeutschland ausgehend, wurden vor allem in den Städten Arbeiter- und Soldatenrätegebildet, die der bisherigen Reichsstaatsgewalt als neue örtliche Machtorgane gegenübertraten. Bis Ende November 1918 hatten alle 22 Monarchen im Deutschen Reich förmlich abgedankt oder sich abgesetzt. In Bayern wurde unter Führung Kurt Eisners bereits am 7. November der Freistaatausgerufen und eine Räterepublik gegründet. Tragende politische Kräfte der spontanen Rätebewegung waren hauptsächlich die Mitglieder und Anhänger der sozialdemokratischen Parteien MSPD und USPD. Sie erwiesen sich zu lokaler Selbstorganisation fähig, traten mit Forderungen nach Beendigung des Krieges und des Obrigkeitsstaats sowie nach Humanisierung der militärischen Disziplin auf und etablierten sich als Ordnungsfaktor neben und anstelle der nicht mehr ausreichend legitimierten und auseinanderbrechenden staatlichen Macht.
In Berlin überschlugen sich am 9. November 1918 die Ereignisse. Zunächst übertrug Prinz Max von Baden sein Reichskanzleramt dem MSPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert – ein Vorgang, der in der Verfassung so gar nicht vorgesehen war. Am selben Tag rief Eberts Parteifreund Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags die „deutsche Republik“ auf parlamentarisch-demokratischer Linie aus; etwa gleichzeitig proklamierte der Sprecher des Spartakusbundes und spätere Mitgründer der KPD, Karl Liebknecht, im Berliner Tiergartenund etwa zwei Stunden später nochmals vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die „freie sozialistische Republik“.
Um das Revolutionsgeschehen im Sinne der eigenen Ziele unter Kontrolle zu behalten, bot die MSPD der USPD die paritätische Beteiligung in einer provisorischen Revolutionsregierung an, dem Rat der Volksbeauftragten. Ebert hatte darin den Vorsitz und verständigte sich mit dem in die OHL-Führung aufgerückten General Wilhelm Groener über die wechselseitige Unterstützung zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse. Seine vorläufige Legitimation erhielt der Rat der Volksbeauftragten durch den ebenfalls eilends konstituierten Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin. Die Grundsatzentscheidung über das künftige politische System in ganz Deutschland fiel auf dem Reichsrätekongress im Dezember 1918, der jeweils mit großer Mehrheit zum einen den Antrag ablehnte, am Rätesystem festzuhalten (also den Arbeiter- und Soldatenräten die höchste gesetzgebende und vollziehende Gewalt einzuräumen), und zweitens stattdessen für den 19. Januar 1919 Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung anberaumte.
Zwar hatte man die Organisationsform der Arbeiter- und Soldatenräte aus der Russischen Revolution 1917 übernommen; die Errichtung der bolschewistischen Diktatur und der daraus entstandene Russische Bürgerkrieg aber stellten für die deutschen Sozialdemokraten ganz überwiegend ein abschreckendes Beispiel dar. Der insbesondere im Spartakusaufstand mobilisierte straßenkämpferische Widerstand gegen die Politik des Rats der Volksbeauftragten wurde im Januar 1919 mit Hilfe von Freikorpstruppen niedergeschlagen, die politischen Köpfe der Erhebung, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, wurden am 15. Januar 1919 ermordet.
Dass die Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung in Weimar zusammentrat, war auf die anhaltend unruhige Lage in Berlin zurückzuführen; doch warb Ebert für diesen Tagungsort auch mit der Begründung, es werde wohl in der ganzen Welt als angenehm empfunden, „wenn man den Geist von Weimar mit dem Aufbau des neuen Deutschen Reiches verbindet.“ Zudem sollte mit der Ortswahl separatistischen Tendenzen und einer gegen Preußen und Berlin gerichteten Antipathie in Süddeutschland entgegengewirkt werden. Die Aufgaben der Weimarer Nationalversammlung gingen von Anbeginn über die Rolle des Verfassungsgebers vielfältig hinaus, denn sie hatte zusätzlich alle Aufgaben eines Parlaments zu erfüllen. Dazu gehörten bereits im Februar 1919 die Wahl des Reichspräsidenten Friedrich Ebert und die Regierungsbildung. Hierbei konnte an die Reichstagskonstellationen noch zu Zeiten der Oktoberreform 1918 angeknüpft werden, da die Wahlen zur Nationalversammlung den Parteien MSPD, DDP und Zentrum, die nun die Weimarer Koalition bildeten, mit 329 von insgesamt 421 Abgeordneten zunächst eine äußerst komfortable Mehrheit verschafften. Auf dieser Basis wurde Philipp Scheidemann erster Regierungschef der Weimarer Republik.
Scheidemann selbst aber stellte diese Mehrheit auf eine harte Probe, als er sich im Mai und Juni 1919 kategorisch gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrags aussprach: „Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in diese Fessel legt?“ Als sich abzeichnete, dass unter dem Druck des Ultimatums der Siegermächte eine Mehrheit auch der sozialdemokratischen Abgeordneten für die Vertragsannahme votieren würde, trat er zurück. Sein Nachfolger wurde Gustav Bauer. Der Versailler Vertrag wurde in der Nationalversammlung am 22. Juni 1919 mit 237 gegen 138 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen. Mit der Schlussabstimmung über die Annahme der Verfassung am 31. Juli 1919 und ihrem Inkrafttreten am 14. August endete die Gründungsphase der Weimarer Republik. Nach bis zuletzt schwierigen Verhandlungen und Kompromissen hatten sich 265 Abgeordnete für die Weimarer Verfassung ausgesprochen und 75 dagegen; 86 Mitglieder der Nationalversammlung blieben der Abstimmung fern, überwiegend aus den Reihen der Weimarer Koalition.
Frühe Krisenjahre (1919–1923)
Von Anfang an war die junge Republik den Angriffen der extremen Rechten und Linken ausgesetzt. Die Linke warf den Sozialdemokraten wegen ihres Zusammengehens mit den alten Eliten Verrat an den Idealen der Arbeiterbewegung vor; die Rechte machte die Anhänger der Republik für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich, verunglimpfte sie als „Novemberverbrecher“ und unterstellte ihnen, sie hätten das im Felde unbesiegte deutsche Heer mit der Revolution von hinten erdolcht (→ Dolchstoßlegende).
Der Kapp-Putsch vom März 1920 stellte die Republik auf eine erste Bewährungsprobe. Freikorps(welche gemäß Versailler Vertrag aufzulösen waren) besetzten unter der Führung von General von Lüttwitz das Berliner Regierungsviertel und ernannten den ehemaligen preußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zum Reichskanzler. Die legale Regierung zog sich zunächst nach Dresden und anschließend nach Stuttgart zurück und rief von dort aus zum Generalstreik gegen die Putschisten auf. Der Putsch scheiterte rasch, nicht zuletzt an der Weigerung der Ministerialbürokratie, den Anordnungen Kapps Folge zu leisten. Die Reichswehrhingegen hatte sich als unzuverlässig erwiesen und abwartend verhalten gemäß der vom Chef des Truppenamtes Hans von Seeckt vertretenen Devise, dass Reichswehr nicht auf Reichswehr bzw. Truppe nicht auf Truppe schieße.
Teile der Arbeiterschaft beließen es im Zuge des Kapp-Putsches nicht bei passivem Widerstand, sondern bewaffneten sich gegen die Putschisten. Speziell im Ruhrgebiet, wo die Unzufriedenheit über ausgebliebene Sozialisierungsmaßnahmen besonders hoch war, bildeten sich erneut Räte, die eine lokale Machtübernahme anstrebten. Im sogenannten Ruhraufstand kam es zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zwischen der „Roten Ruhrarmee“ und Einheiten der Putschisten und nach dem Scheitern des Bielefelder Abkommens zur blutigen Niederschlagung des Aufstands durch entsandte Reichswehreinheiten und Freikorps. In Bayern dagegen führte der Kapp-Putsch zu einer antirepublikanischen Regierungsumbildung, die den Freistaat auf Dauer zur autoritären „Ordnungszelle“ innerhalb des Weimarer Gesamtstaates machte und zum Sammelbecken der rechtskonservativen und reaktionären Kräfte. Die instabilen politischen Verhältnisse in der Frühphase der Weimarer Republik zeigten sich auch in der Reichstagswahl 1920, in der die vordem mit einer Dreiviertelmehrheit regierende Weimarer Koalition abgewählt wurde.
Ausdruck der eingetretenen scharfen politischen Polarisierung waren insbesondere die rechtsradikal motivierten Morde von Mitgliedern der Organisation Consul an wichtigen Repräsentanten der jungen Republik: an Finanzminister Matthias Erzberger im August 1921 und an Außenminister Walther Rathenau im Juni 1922, die man als willfährige „Erfüllungspolitiker“ in Bezug auf den Versailler Vertrag diffamiert hatte. Während Erzberger für die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens 1918 angefeindet wurde, war Rathenau als Außenminister unter anderem für die Reparationsproblematik zuständig. Er hatte zudem durch den mit der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik geschlossenen Vertrag von Rapallo die äußere Isolierung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg aufzubrechen gesucht. Doch auch als Jude zog er rechtsextremistischen Hass auf sich (siehe auch Antisemitismus Weimar). Die in Trauerzügen für die Ermordeten massenhaft bekundete Solidarität zum einen und die Verabschiedung eines „Republikschutzgesetzes“ zum anderen sollten den rechten Feinden der Weimarer Republik Einhalt gebieten. Doch die kaiserzeitlich-konservativ geprägte Richterschaft trug mit milden Urteilen gegen rechtsradikale Staatsverbrecher dazu bei, dass diese sich von ihrem Treiben nicht dauerhaft abhalten ließen.
Die politischen Weichenstellungen, die die Weimarer Republik 1923 an den Rand des Zusammenbruchs brachten, wurden sowohl in der deutschen wie in der französischen Politik gestellt. Die von den Sozialdemokraten geduldete Minderheitsregierung des parteilosen Reichskanzlers Wilhelm Cuno (Kabinett Cuno 22. November 1922 bis 12. August 1923) zielte in demonstrativer Fortsetzung des Kurses „Erst Brot, dann Reparationen!“ trotz anderer Möglichkeiten auf ein Zugeständnis der Alliierten, dass die deutsche Leistungsfähigkeit bei den Reparationen bereits überschritten war, während der französische Ministerpräsident Raymond Poincaré die Nichterfüllung der deutschen Reparationslieferungen als Hebel ansah, um die von englischer Seite in Versailles verweigerte Abtrennung des Rheinlands vom Deutschen Reich doch noch zu erreichen.
Nach der Feststellung unzureichender deutscher Kohlelieferungen durch die Reparationskommission marschierten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen ins Rheinland ein. Gegen die Ruhrbesetzung wurde in Abstimmung mit der Reichsregierung vor Ort von deutscher Seite der passive Widerstand organisiert, wobei das Reich ohne produktiven Gegenwert sämtliche Ausfallkosten für die Unternehmen des besetzten Gebietes und deren Beschäftigte übernahm. Auch die französische Seite zahlte bei der Besetzung eher 'drauf' als davon zu profitieren. Die deutsche Finanznot wurde im Laufe des Jahres 1923 immer dramatischer. Die Finanzierung des Ruhrkampfes und die Kompensation der dadurch bedingten Produktionsausfälle und Steuereinnahmenverluste allein durch Drucken neuer Banknoten führten zu einer dramatisch beschleunigten Inflation, in der schließlich die Papiermark binnen eines Tages mehr als die Hälfte an Kaufkraft verlor. Angesichts der damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen bröckelte der Ruhrwiderstand. Mit der Rheinischen Republik kam es zu einer (wenn auch nur kurzzeitig erfolgreichen) Abspaltungsbewegung, in deren Folge sich Teile der Lohnarbeiterschaft zunehmend radikalisierten. In Sachsen und Thüringen führte das zu kommunistischer Regierungsbeteiligung unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten. Im Reichstag hatten die Sozialdemokraten der Regierung Cuno unterdessen die Tolerierung versagt und waren in eine Große Koalition unter dem DVP-Kanzler Gustav Stresemann eingetreten. Der beendete am 23. September 1923 den Ruhrwiderstand, um für die geplante und dringend nötige Währungsreform im Oktober/November 1923 einen Erfolg zu ermöglichen. Zum Umstellungsdatum am 15. November 1923 (1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark bei 4,20 Rentenmark für den Dollar) war der Staat inflationsbedingt praktisch schuldenfrei, hauptsächlich auf Kosten seiner sparfreudigen Bürger. Zu den Inflationsgewinnern gehörten Sachwertbesitzer und diejenigen, die selbst hohe Schulden aufgenommen hatten: Sie konnten ihre Kredite mit entwertetem Geld bequem zurückzahlen.
Von der nationalistischen Rechten vor allem in Bayern wurde der Abbruch des Ruhrwiderstands als Landesverrat gebrandmarkt. Unter Bruch der Weimarer Verfassung wurde für Bayern der Ausnahmezustand ausgerufen und die vollziehende Gewalt auf Gustav Ritter von Kahr als Generalstaatskommissar übertragen. Die Reichswehr unter dem Chef der Heeresleitung General Hans von Seeckt, der in dieser Lage eigene, gegen die Linksparteien und den Weimarer Parlamentarismus gerichtete Regierungsambitionen entwickelte, verhielt sich nur zu eigenen Bedingungen der Regierung Stresemann gegenüber loyal: Gegen die kommunistischen Regierungsbeteiligungen in Sachsen und Thüringen wurde eine „Reichsexekution“ (Art. 48 Abs. 1) vollzogen. Gegen Bayern aber war man nicht bereit vorzugehen. Hier wurde durch v. Kahr im Zusammenwirken mit dem bayerischen Wehrkreiskommandeur Otto von Lossow eine auf den Sturz der Reichsregierung zielende militärische Aktion vorbereitet. Der NSDAP-Führer Adolf Hitler, der nach dem Vorbild der italienischen Faschistenunter Benito Mussolini die eigene Hauptrolle für einen „Marsch auf Berlin“ beanspruchte, suchte sich die Rivalen in einem Gewaltstreich zu unterwerfen, scheiterte aber mit dem Hitler-Putsch am 9. November 1923. Mit diesem Zerwürfnis der rechtsgerichteten Kräfte untereinander war die von Bayern ausgehende Bedrohung der Republik insgesamt vorerst entschärft und der Weg frei für eine Währungsreform, die dem Weimarer Staat neue Chancen eröffnen sollte.
Relative Stabilisierung (1924–1929)
Auf die Ende 1923 abgewendete Katastrophe der Weimarer Republik folgte annähernd ein halbes Jahrzehnt der inneren Konsolidierung und der außenpolitischen Verständigung, allerdings ohne dass ein tragfähiges Fundament für diese grundsätzlich parlamentarische Demokratie zustande kam. Mit der Anerkennung der Reparationsverpflichtung wurde zwar die Reintegration Deutschlands in das damalige Staatensystem und in die Weltmärkte gefördert, aber auch eine starke Abhängigkeit vom Zufluss amerikanischen Kapitals begründet: eine teils geborgte und nur scheinbare Stabilität.
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
Eine wesentliche Grundlage der relativen Stabilisierung war die Neuregelung der Reparationsfrage durch den Dawes-Plan. In ihm wurden ohne Festsetzung einer endgültigen Gesamtsumme die künftigen jährlichen Zahlungen im Hinblick auf Umfang, Zusammensetzung und Transfersicherung geregelt. Letztere sollte der amerikanische Finanzexperte Parker Gilbert als Reparationsagent gewährleisten, der in dieser Funktion zur Sicherung der Währungsstabilität auch auf die deutsche Steuer- und Finanzpolitik unmittelbar Einfluss nehmen konnte. Die lange ungewisse Annahme des Dawes-Plans im Reichstag – Teile der Rechten sprachen von „neuer Versklavung des deutschen Volkes“, die KPD von der Versklavung nicht nur des deutschen Proletariats – brachte nach ihrem Zustandekommen der Weimarer Republik einen Zustrom amerikanischer Kredite aus Staatsmitteln wie auch von Privatanlegern, der einerseits als Anschubfinanzierung für die Reparationsdienste, andererseits als wirtschaftliche Wiederbelebungshilfe diente.
Die ökonomische Konsolidierung nach der Hyperinflation ging aber großteils zu Lasten von Lohnarbeiterschaft und wirtschaftlichem Mittelstand. Der Achtstundentag als eine soziale Haupterrungenschaft der Revolution 1918/19 wurde vielfach aufgeweicht und aufgegeben; die Beamtenschaft war von massiven Stelleneinsparungen und Gehaltskürzungen betroffen; Rationalisierung und Konzentrationsprozesse im großindustriellen Bereich wurden fortgesetzt und entzogen vielen kleinen und mittleren Betrieben die Existenzgrundlage. Die inflationsgeschädigten Sparer und Gläubiger blieben faktisch ohne nennenswerte Entschädigung.
„Klassengesellschaft im Übergang“
Die in der Weimarer Verfassung enthaltenen sozialstaatlichen Garantieerklärungen standen zu den vielfachen Erfahrungen sozialen Abstiegs in auffälligem Kontrast und entfalteten nur eingeschränkte Wirkung. Immerhin konnten die als Kleinsparer durch die Inflation Verarmten oder wirtschaftlich Ruinierten ab 1924 eine staatlich organisierte Sozialfürsorge in Anspruch nehmen, die die vormalige Armenhilfe ablöste. Das neue System war allerdings gekennzeichnet durch „kleinliche Bedürftigkeitsprüfungen einer anonymen Sozialbürokratie“ und durch nur das Existenzminimum sichernde Zuwendungen. In der kurzen Hochphase der gesamtwirtschaftlichen Erholung und des konjunkturellen Optimismus wurde 1927 die Arbeitslosenversicherung eingeführt, in mancher Hinsicht der „Höhepunkt des sozialen Ausbaus der Republik“, wenn auch nur einem Teil der Arbeitnehmer zugute kommend und Dauerarbeitslosigkeit nicht erfassend.
Der Parlamentarismus der Weimarer Demokratie war Ausdruck einer von Klassen und Sozialmilieus stark geprägten und zersplitterten Parteienlandschaft, in der die Interessenvertretung der je eigenen Wählerklientel der Bereitschaft zum Kompromiss häufig enge Grenzen setzte. Dieses Klassen- und Standesbewusstsein in den jeweiligen Sozialmilieus gehörte zum Erbe der Kaiserzeit und wirkte fort, wurde aber auch teils überformt von einer sich in den 1920er Jahren ausbildenden konsum- und freizeitorientierten Massenkultur, als deren Triebkräfte neue Medien wirkten: Schallplatte, Film und Rundfunk. Ins Kino gingen – bzw. vor dem Radio saßen – bald Menschen aller Klassen und Schichten. Die Massenkultur wies in Richtung Demokratisierung, was man von konservativer Seite als geistige Verflachung und Wertverfall auslegte. Gleichwohl wurden die Klassenfronten durch die Massenkultur allmählich aufgelockert: eine „Klassengesellschaft im Übergang“ also.
Die ebenfalls auf Kaiserreich und Jahrhundertwende zurückgehende Entwicklung einer spezifischen Jugendbewegung und Jugendkultur ging vor dem Hintergrund von Weltkriegserfahrung und Revolution 1918/19 in eine neue Phase über: „Der ‚verlorenen Kriegsgeneration‘ folgten die ‚überflüssigen‘ Nachkriegsgenerationen.“ Ihnen gemeinsam war die Erfahrung schwierigster Bedingungen beim Einstieg in das Erwerbsleben, überdurchschnittlich häufiger Arbeitslosigkeit und besonderer Ungeschütztheit in sozialfürsorgerischer Hinsicht, was nicht zuletzt den akademischen Nachwuchs betraf. Neben der Rebellion gegen die ritualisierte Bürgerlichkeit der wilhelminisch geprägten Elternhäuser wandten sich viele Jugendliche auch gegen die in den zwanziger Jahren Einzug haltende „Amerikanisierung“ des Alltagslebens. Der romantischen Hinwendung zu Naturerlebnissen entsprach jedoch nicht notwendig eine reaktionäre Gesinnung. In der sozialdemokratischen Jugend ging man ebenso „auf Fahrt“ wie im bürgerlichen Wandervogel und sang zur Klampfe Lieder aus dem „Zupfgeigenhansl“. „Aus der Jugendbewegung führten Wege in mehr als ein politisches Lager und in mehr als eine Zukunft.“
Kulturelle Freiheit und Vielfalt
Das Bild von den „Goldenen zwanziger Jahren“ reflektiert weniger den sich anbahnenden sozialen Wandel oder gar die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu Zeiten der Weimarer Republik, sondern eine neue Inspiriertheit und Freiheit in Kunst und Kultur. Unter dem Einfluss der expressionistischen Bewegung entfalteten sich eine faszinierende Vielfalt der Stile und ein „enormer Reichtum an Ideen und Fähigkeiten“: „In Kubismus, Futurismus, Dadaismus und anderen -ismen versuchten die Künstler dieser Zeit, sich an Radikalität und Experimentierfreude gegenseitig zu überbieten.“
Die Stabilisierungsphase der Republik ab 1924 wurde zur Ära der Neuen Sachlichkeit, deren Stil besonders von Vorstellungen und Erzeugnissen der Bauhaus-Kultur geprägt wurde. Der damit verbundene Trend zur „unpathetischen Gebrauchskunst“, die ihre Produkte ohne mäzenatischeFörderung in einer demokratischen Gesellschaft zu vermarkten hatte, zeugte von einer „Versachlichung“ des gesamten Kunstbetriebs. Die Versachlichung wirkte besonders im öffentlichen Wohnungsbau, der bei nun reichlicher zur Verfügung stehenden Finanzierungsmitteln in der Aufschwungphase nach Mitte der 1920er Jahre vor allem in manchen Großstädten mit Reihenhäusern oder Zeilenbauten in die industrielle Serienherstellung überging: „bevorzugt wurden Stahl, Beton, Glas, Flachdächer und Weiß als Leitfarbe.
Labiles politisches System
Als Reichspräsident Ebert Anfang 1925 als 54-Jähriger infolge einer verschleppten Blinddarmentzündung verstarb, unterlag in der Reichspräsidentenwahl 1925 der Kandidat der die Republik tragenden Parteien Wilhelm Marx gegen den Kandidaten der nationalistischen Rechten Paul von Hindenburg. Zwar erklärte dieser vorab, das Amt gemäß der Weimarer Verfassung führen zu wollen, und hätte damit unter günstigen Umständen die Akzeptanz der Republik im rechten Lager erhöhen können; doch zeigte sein Wahlerfolg andererseits, wie weit die Rechtsverschiebung des Wählerverhaltens seit den Weimarer Anfängen bereits fortgeschritten war.
So waren auch die beiden Reichstagswahlen im Mai und im Dezember 1924 für die 1919 so komfortabel gestartete Weimarer Koalition, die sich als „Bollwerk der Demokratie“ nur mehr in Preußen behauptete, neuerliche Misserfolge. Nur drei von sieben Regierungen in den Jahren 1924 bis 1929 hatten eine Mehrheit im Reichstag. Das begünstigte jenes staatsautoritäre und republikfeindliche Denken, das von parlamentarischer Demokratie ohnehin nichts hielt und entweder im Geiste einer Konservativen Revolution obrigkeitsstaatliche Lösungen anstrebte oder das Weimarer System durch eine Proletarische Revolution zu beseitigen trachtete. Die Schwäche des Reichstags verschaffte zudem den außerparlamentarischen Kampfbünden eine anhaltende Bedeutung und politische Funktion, die neben der Reichswehr fortbestanden. Als wichtigste paramilitärische Formation dieser Art entwickelte sich der Stahlhelm, neben dem in den späteren Jahren die nationalsozialistische SA an Bedeutung zunahm. Um den rechten Wehrverbänden für ihre Machtdemonstrationen die Straßen und Säle nicht allein zu überlassen, schufen die republiktreuen Parteien aus ihren Reihen das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold als Kampfbund-Gegengewicht. Auf der äußersten Linken stand der Rotfrontkämpferbund.
Die in der Verfassung vorgesehenen plebiszitären Elemente Volksbegehren und Volksentscheidkamen nur gelegentlich zur Anwendung. Innenpolitisch bedeutsam waren vor allem Volksbegehren und Volksentscheid zur Fürstenenteignung, von der KPD auf den Weg gebracht und von der SPD unterstützt. Die DNVP beschwor im Vorfeld der Abstimmung die Gefahr des Bolschewismus; das rechte bürgerliche Lager sah das Privateigentum als solches gefährdet. In rhetorischer Zuspitzung wurde die Alternative „Republik oder Monarchie“ zum Gegenstand einer Abstimmung erklärt, in der tatsächlich nur prinzipielle Erstattungsansprüche der infolge der Novemberrevolution enteigneten deutschen Fürsten verneint oder bejaht werden konnten. Den Gegnern der Fürstenenteignung verhalf bereits ein Boykott der Abstimmung zum allerdings wenig überzeugenden Erfolg, indem das Quorum (Teilnahme der Mehrheit aller Stimmberechtigten an der Abstimmung) nicht erreicht wurde. Dass jedoch im Juni 1926 trotz widriger Rahmenbedingungen vor allem im ländlichen Bereich 14,5 Millionen Stimmen (36,4 %) für die Fürstenenteignung zusammenkamen – zu beträchtlichen Anteilen von Anhängern der bürgerlichen Parteien –, könnte bedeuten, dass eine Bevölkerungsmehrheit für die Republik und gegen die konservativen Eliten stand.
Zu einer Stabilisierung der Weimarer Republik auf parlamentarischer Grundlage hätte nach der Reichstagswahl 1928 die Bildung der Großen Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller führen können, die von einer Reichstagsmehrheit getragen wurde. Dass es dazu nicht kam, lag nur zum Teil an den von vornherein stark divergierenden Positionen von SPD und DVP etwa in der Panzerkreuzer-Debatte. Es waren letztlich die von der hereinbrechenden Weltwirtschaftskrise hervorgerufenen Finanzierungsprobleme des sozialen Sicherungssystems, bei denen die Gegensätze unüberbrückbar wurden.
Außenpolitik der Verständigung
Bei allen zwischen 1923 und 1928 häufigen Personenwechseln im Reichskanzleramt und in den Regierungskabinetten gab es dennoch in Außenminister Gustav Stresemann eine wirkungsmächtige personelle Konstante, bis auch dieser sich wie vor ihm Ebert im Amt gesundheitlich aufgerieben hatte und 1929 verstarb. Mit dem von ihm selbst bezeugten Wandel vom „Herzensmonarchisten“ zum „Vernunftrepublikaner“ übte Stresemann nicht nur als Reichskanzler 1923, sondern während der gesamten Dauer seiner Regierungsmitwirkung einen stabilisierenden Einfluss auf die politische Entwicklung der Republik aus.
Die Lösung aus den Fesseln des Versailler Vertrags strebte er ausschließlich mit friedlichen Mitteln auf dem Wege der Verständigung an, ohne aber langfristige Revisionsabsichten etwa hinsichtlich an Polen abgetretener Gebiete aufzugeben. Indem er 1925 die Initiative zu den Locarno-Verträgenergriff, die Verständigung mit Frankreich erreichte und Deutschland 1926 eine gleichberechtigte Stellung im Völkerbund sicherte, führte er die Weimarer Republik aus der Isolation. Mit dem Berliner Vertrag wurde aber auch für ein weiterhin unbelastetes Verhältnis zur Sowjetunion gesorgt. Bereits seit 1925 gab es eine geheime und illegale Kooperation zwischen der Reichswehr und der Roten Armee, bei der in der Sowjetunion Waffen erprobt wurden, die Deutschland vom Versailler Vertrag verboten worden waren: Flugzeuge, Panzer und Giftgas.
Die von der Locarno-Politik deutscherseits erwarteten günstigen Auswirkungen kamen immerhin teilweise auch zustande: Noch 1925 wurde die erste Rheinlandzone geräumt; die deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen wurden durch Abkommen ausgebaut; und die Interalliierte Militär-Kontrollkommission zur Überwachung der deutschen Abrüstung verließ 1927 Deutschland. Bei den Verhandlungen zum Briand-Kellogg-Pakt spielte Stresemann 1928 eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den USA und Frankreich.
Als 1928/29 erstmals die Dawes-Plan-Reparationsrate in voller Höhe belastend anstand, kam es zu neuen Verhandlungen. In dem daraus entstandenen Young-Plan wurde die Frage einer möglichen Erleichterung verbunden mit dem Vorhaben einer endgültigen Regelung der Reparationsfrage. Statt der im Dawes-Plan vorgesehenen Annuität von 2,5 Milliarden Reichsmark sollten nun in den folgenden 59 Jahren durchschnittlich 2 Milliarden gezahlt werden, zu Anfang 1,7 Milliarden. Mit der Aussicht auf einen, wie man meinte, endgültigen Reparationsplan und angesichts der deutschen Bereitschaft, eine Dauerbelastung bis 1988 zu akzeptieren, gestand Frankreich in Parallelverhandlungen einen gegenüber dem Versailler Vertrag um fünf Jahre vorverlegten Truppenabzug aus dem besetzten Rheinlandzu. Für die nationalistische Rechte in Deutschland war vor allem die über Generationen sich erstreckende Dauerbelastung propagandistischer Zündstoff in ihrer Agitation gegen die Weimarer Republik. DNVP und NSDAP führten ein knapp erfolgreiches Volksbegehren und einen an der Abstimmungsbeteiligung überdeutlich scheiternden Volksentscheid gegen den Young-Plan durch, mit dem die Nationalsozialisten sich allerdings propagandistisch landesweit in Szene setzen und am rechten Rand des politischen Parteienspektrums profilieren konnten.
Vor dem Untergang: Die Ära der Präsidialkabinette (1930–1933) Wahlergebnisse der Reichstagswahlen 1919–1933. Die KPD (rot) und die NSDAP (braun) waren radikale Gegner der Weimarer Republik. Die DNVP (orange) hatte einen demokratisch-konservativen und einen rechtsradikalen Flügel. Um 1928 spaltete sich der konservative Flügel ab, die verbliebenen Parteimitglieder entschieden unter der Führung Hugenbergs in Fundamentalopposition zu treten und mit der NSDAP zusammen zu arbeiten. Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit ab 1929 bewirkte auch eine Radikalisierung vieler Wähler. Davon profitierte vor allem die NSDAP, deren Stimmanteil von 2,6 % im Jahr 1928 auf 43,9 % im Jahr 1933 anstieg.
Nach der Großen Inflation 1923 bewirkte wenige Jahre später die Weltwirtschaftskrise die zweite existenzielle Krise der Weimarer Demokratie. Mitentscheidend war die zunehmende Blockade des parlamentarischen Systems, das ab den 30er Jahren von sich gegenseitig bekämpfenden verfassungsfeindlichen Parteien dominiert wurde. Die Kernkompetenzen des Reichstags – Regierungsbildung und Gesetzgebung – wurden überlagert und ersetzt durch Befugnisse des Reichspräsidenten. In den Präsidialkabinetten der Reichskanzler Brüning, Papen und Schleicher wurden die zur Krisenbewältigung als Notbehelf vorgesehenen verfassungskonformen politischen Durchgriffsrechte des Reichspräsidenten (Notverordnungen, Einsetzung des Reichskanzlers, Auflösung des Reichstags) zu Regelinstrumenten, die mehr und mehr in demokratiewidriger Stoßrichtung zur Anwendung kamen. Begünstigt wurde diese Entwicklung in der sozialökonomischen Dauerkrise von einer zunehmenden Radikalisierung des Wählerverhaltens, die ab Juli 1932 zu einer Mehrheit der republikfeindlichen Parteien NSDAP und KPD im Reichstag führte.
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise
Der die Weltwirtschaftskrise einleitende Kurssturz am Schwarzen Donnerstag der New Yorker Börse im Oktober 1929 hatte in Deutschland besonders gravierende Auswirkungen. Die amerikanischen Kapitalanleger, die zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Weimarer Republik auf der Grundlage des Dawes-Plans wesentlich beigetragen hatten, hatten sich bereits seit 1928 bei der Kreditvergabe nach Deutschland zurückgehalten, da die Fed im Börsenboom von 1928, der dem Krach vorausging, die Zinsen deutlich angehoben hatte. Seitdem war Auslandskapital kaum noch zu erhalten, seit 1930 wurden die zuvor investierten Kreditmittel zudem in mehreren Wellen abgezogen. Mit der einsetzenden Geldmittelknappheit stockte der Absatz auf dem Inlandsmarkt ebenso wie der Export, da sich nun allgemein protektionistischeAbschottungsmaßnahmen gegen ausländische Konkurrenz breit machten. So wurde eine wirtschaftskonjunkturelle Abwärtsspirale in Gang gesetzt, in der eine massiv rückläufige Produktion zu Massenentlassungen führte und sinkende Massenkaufkraft den Absatz weiter einbrechen ließ. Im Verhältnis zum Höchststand 1927/28 ging die Industrieproduktion insgesamt um mehr als 43 Prozent zurück, die Stahlerzeugung sogar um 65 Prozent. Die Investitionstätigkeit kam praktisch zum Erliegen.
Zugleich wurde die anschwellende Massenarbeitslosigkeit zur wachsenden Belastung und finanziellen Überforderung des sozialen Sicherungssystems, das eben erst um die Arbeitslosenversicherung erweitert worden war. Jeweils bezogen auf den Monat Januar stieg die Anzahl der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitslosen von 2,85 Millionen 1929 über mehr als 3,2 Millionen 1930 und annähernd 4,9 Millionen 1931 bis auf über 6 Millionen 1932. Nur noch 12 Millionen Menschen arbeiteten regulär. In den von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Großstädten begegnete man auf der Straße Dauerarbeitslosen mit Schildern: „Suche Arbeit um jeden Preis“; es gab Menschen auf der Suche nach billigen Schlafplätzen für Stunden, weil sie keine dauerhafte Unterkunft bezahlen konnten, und Andrang in Wärmehallen seitens derer, die kein Geld für Heizmaterial erübrigen konnten. Im Sommer 1931 kulminierten Kredit- und Staatsfinanzkrise in einem Ansturm auf die Bankinstitute, wo Gläubiger ihre Einlagen zurückforderten. Nach zwei Bankfeiertagen (Schließtagen) am 14. und 15. Juli konnte durch die Gründung einer Garantiebank und durch eine per Notverordnung durchgesetzte Bankenhaftungsgemeinschaft die Lage mit Hilfe einer verstärkten staatlichen Aufsicht über das Kreditwesen vorläufig stabilisiert werden. Die Zuspitzung war eingetreten, nachdem der Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion bekannt geworden war, mit der das im Vertrag von Saint-Germain 1919 festgelegte Anschlussverbot Deutschösterreichs an das Deutsche Reich unterlaufen werden sollte. So bewirkte die Pleite der österreichischen Creditanstalt, dass als Reaktion darauf auch in Deutschland eine neue Rückrufwelle ausländischen Kapitals die ohnehin gebeutelte Republik heimsuchte.
Denn parallel zur Krise um die österreichische Creditanstalt wurde bekannt, dass Karstadt in Geldnöten steckte, ebenso die Nordstern-Versicherung. Dem Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns folgte die Krise seines Hauptgeldgebers, der Darmstädter und Nationalbank, die damals eine der größten deutschen Geschäftsbanken war. Binnen weniger Tage konnte die Bank dem Ansturm ihrer Anleger nicht mehr standhalten und schloss am 13. Juli ihre Schalter. Die Dresdner Bank, die ebenfalls mit Krediten für die Nordwolle schwer belastet war, behauptete am 11. Juli 1931, nicht in Gefahr zu sein – und war drei Tage später gleichfalls am Ende. Nach den beiden allgemeinen Bankfeiertagen vom 14. und 15. Juli wurden Abhebungen zunächst nur für dringlichste Geschäfte zugelassen, etwa für die Zahlung von Gehältern. Unterdessen wurden die am meisten gefährdeten Banken mit Geld versorgt. Kredite für die Wirtschaft wurden von Staats wegen verbilligt und die Verzinsung laufender Anleihen reduziert. Mit groß angelegten Interventionen, darunter die Übernahme und Umstrukturierung großer Banken, gelang es der Regierung, den Kollaps des deutschen Finanzsystems zu verhindern. Die fortschreitende Verunsicherung und politische Vertrauenskrise in der Bevölkerung war damit aber nicht zu beheben.
Ende durch die nationalsozialistische Machtübernahme (1933)
Das Kabinett Hitler:
Hermann Göring, Adolf Hitler, Franz von Papen; Franz Seldte, Günther Gereke, Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Wilhelm Frick, Werner von Blomberg, Alfred Hugenberg.
Dem Treffen Papens mit Hitler im Haus des Kölner Bankiers Kurt von Schröder am 4. Januar 1933 folgten weitere, zuletzt in Anwesenheit Otto Meißners, des Staatssekretärs des Reichspräsidenten, sowie Oskar von Hindenburgs, der als Sohn des Reichspräsidenten ebenfalls zu den Beratern in der Kamarilla Paul von Hindenburgs gehörte. Man vereinbarte eine Koalitionsregierung aus Deutschnationalen und NSDAP, der außer Hitler nur zwei weitere Nationalsozialisten, nämlich Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich (und kommissarischer preußischer Innenminister), angehören sollten. Papen selbst war als Vizekanzler und Reichskommissar für Preußen vorgesehen.
Der 86-jährige Reichspräsident, der sich lange gegen eine Kanzlerschaft des „böhmischen Gefreiten“ Hitler gesträubt hatte, wurde zuletzt mit dem Hinweis beruhigt, dass ein von einer konservativen Kabinettsmehrheit „eingerahmter“ NSDAP-Führer nur eine geringe Gefahr bedeute. Für diesen Versuch sprach aber aus Sicht Hindenburgs nach allem auch die formale Verfassungskonformität der nunmehrigen Berufung Hitlers zum Reichskanzler. Die Annahme allerdings, Hitler und die Nationalsozialisten in dieser Regierungskonstellation in Schach halten zu können, sollte sich als folgenschwere Fehleinschätzung erweisen. Denn die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 bewirkte in Verbindung mit den weiteren Maßnahmen der sogenannten Machtergreifung faktisch das Ende der Weimarer Republik. Zwar wurde während der gesamten NS-Zeit die Weimarer Verfassung formal nicht außer Kraft gesetzt. Mit der Errichtung der NS-Diktatur endeten aber ihre demokratische Funktion und ihre die Politik bindende Wirkung.
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Quellen: wikipedia.org