Walter Scheel
- Geburt:
- 08.07.1919
- Tot:
- 24.08.2016
- Zusätzliche namen:
- Walter Scheel, Вальтер Шеель
- Kategorien:
- Minister, Politiker, Präsident
- Nationalitäten:
- deutsche
- Friedhof:
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Walter Scheel (* 8. Juli 1919 in Höhscheid, heute Ortsteil von Solingen; † 24. August 2016 in Bad Krozingen) war ein deutscher Politiker (FDP). Er war der vierte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
Von 1961 bis 1966 war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und von 1969 bis 1974 Bundesminister des Auswärtigen sowie Vizekanzler. Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Mai 1974 führte Scheel daher die Regierungsgeschäfte, bis am 16. Mai 1974 Helmut Schmidt zum Bundeskanzler gewählt wurde. Anschließend war Scheel von 1974 bis 1979 Bundespräsident.
Ausbildung und Beruf
Scheel kam als Sohn eines Stellmachers zur Welt; er war evangelischer Konfession. Nach dem Abitur am Solinger Gymnasium Schwertstraße absolvierte er von 1938 bis 1939 eine Banklehre bei der Volksbank Solingen, die er mit „Gut“ abschloss. Ab 3. September 1939 leistete er Kriegsdienst. Er diente im Nachtjagdgeschwader 1 (III. Gruppe) der Luftwaffe als Adjutant von Martin Drewes und war bei Kriegsende Oberleutnant. Er erhielt das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse. Nach 1945 war er bis 1953 als Geschäftsführer in der Industrie und in Verbänden tätig. Danach arbeitete er als selbständiger Wirtschaftsberater in Düsseldorf. 1958 wurde er Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Intermarket. Im gleichen Jahr gründete er zusammen mit Gerhard Kienbaum und Carl Zimmerer das Düsseldorfer M&A-Unternehmen InterFinanz, das er zusammen mit Carl Zimmerer bis Ende 1961 führte. Seine Gesellschaftsanteile (42 %) veräußerte er 1964 an die Mitgesellschafter.
Privatleben
Nach 24-jähriger Ehe starb seine erste Frau Eva Charlotte geb. Kronenberg (1921–1966). Aus dieser Ehe ging Scheels Sohn Ulrich hervor. Von 1969 bis zu ihrem Tod 1985 war er mit Mildred Scheel verheiratet. Sie brachte ihre Tochter Cornelia Scheel mit in die Ehe. Aus dieser Ehe ging 1970 Andrea-Gwendoline hervor, der Sohn Simon Martin wurde 1971 aus Bolivien adoptiert. Seit 1988 war Walter Scheel mit Barbara geb. Wiese verheiratet. Das Ehepaar lebte von 2001 bis 2008 in Berlin und zog Anfang 2009 nach Bad Krozingen.
Wegen einer Demenzerkrankung lebte er seit 2012 in einem Pflegeheim. Scheel starb am 24. August 2016 im Alter von 97 Jahren.
Parteimitgliedschaften
NSDAPAm 13. November 1978 berichtete der Spiegel, Walter Scheel habe erklärt, er habe im Dezember 1942 an der Front die Mitteilung über seine Aufnahme in die NSDAP erhalten, obwohl er keinen Aufnahmeantrag gestellt habe.[7] Laut einem Artikel in der Zeit vom 17. November 1978 ließ Scheel mitteilen, dass er nicht mehr wisse, ob er einen Antrag gestellt habe, seine Mitgliedschaft aber geruht habe.[8] Eine NSDAP-Mitgliedschaft wurde von Scheel im Weiteren mit dem Argument, ein Soldat der Wehrmacht habe kein NSDAP-Mitglied sein dürfen, bestritten, zuletzt in einem Interview im Jahre 2010.[9] Die Unabhängige Historikerkommission – Auswärtiges Amt kritisiert in ihrem im Oktober 2010 publizierten Forschungsbericht, dass Scheel seine NSDAP-Mitgliedschaft erst Jahre nach seinem Amtsantritt als Außenminister eingeräumt habe.[10] 1970 habe der damalige Außenminister eine umfassende Darstellung zur Geschichte des Auswärtigen Amtes angekündigt, die auch das Handeln des Amtes im Nationalsozialismus thematisieren sollte, diese aber sei nie geschrieben worden.[11] Eine solche – wenn auch umstrittene – Darstellung erschien erst 2010, nachdem Jahre zuvor Joschka Fischer, Außenminister von 1998 bis 2005, eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt hatte.
Ab 1946 in der FDPSeit 1946 war Scheel Mitglied der FDP. Seit 1954 war Scheel Mitglied des FDP-Landesvorstandes in Nordrhein-Westfalen und ab 1956 zusätzlich Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. Im selben Jahr gehörte Scheel zu den Jungtürken (u. a. mit Erich Mende, Willi Weyer, Hans Wolfgang Rubin und Wolfgang Döring), die den Koalitionswechsel der FDP in Nordrhein-Westfalen von der CDU zur SPD einleiteten und damit die Abspaltung der Euler-Gruppe und die Gründung der kurzlebigen Freien Volkspartei (FVP) provozierten. 1968 wurde er schließlich als Nachfolger von Erich Mende zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Anfang der 1970er Jahre gehörte er mit Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach zu den Autoren der Freiburger Thesen, des neuen Grundsatzprogramms der FDP. Mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1974 legte er dann alle Parteiämter nieder. Nach dem Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident wurde er 1979 zum Ehrenvorsitzenden der FDP ernannt.
Von 1968 bis 1974 war er Vizepräsident der „Liberalen Weltunion“ (Vorgänger der Liberalen Internationale).
Abgeordneter
Von 1948 bis 1950 war Scheel Stadtrat in seiner Heimatstadt Solingen. Von 1950 bis 1954 war er Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Remscheid. 1953 schließlich wurde er Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er bis zum 27. Juni 1974 angehörte, als er sein Bundestagsmandat nach seiner im Mai erfolgten Wahl zum Bundespräsidenten vier Tage vor Amtsantritt niederlegte. Von 1967 bis 1969 war er Vizepräsident des Deutschen Bundestages.
Vom 1. Juli 1956 bis 20. November 1961 war er außerdem Mitglied des Europäischen Parlamentes. Hier war er von 1959 bis 1962 Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete und seit 1958 stellvertretender Vorsitzender der liberalen Fraktion.
Öffentliche Ämter
Bundesminister für wirtschaftliche ZusammenarbeitNach der Bundestagswahl 1961 wurde Scheel am 14. November 1961 im Kabinett Adenauer IV zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Am 19. November 1962 trat er anlässlich der Spiegel-Affäre zusammen mit den anderen FDP-Bundesministern aus Protest zurück. Dem daraufhin am 13. Dezember 1962 ohne den umstrittenen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gebildeten Kabinett gehörte er dann aber mit gleicher Funktion wieder an. Er behielt dieses Amt auch in der von Bundeskanzler Ludwig Erhard geführten Bundesregierung. Wegen eines Streits über den Bundeshaushalt trat er am 28. Oktober 1966 gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern von seinem Amt zurück.
Bundesminister des AuswärtigenNach der Bundestagswahl 1969 wirkte er maßgeblich auf die Bildung einer sozialliberalen Bundesregierung hin und wurde im Kabinett von Willy Brandt am 22. Oktober 1969 zum Vizekanzler und zum Bundesminister des Auswärtigen ernannt. 1970 besuchte Scheel als erster deutscher Außenminister Israel, das 1965 diplomatisch anerkannt worden war. Scheel gilt gemeinsam mit Willy Brandt als „Vater der Entspannungspolitik“ und der neuen Deutschlandpolitik, die zunächst von den Unionsparteien scharf bekämpft wurde und auch zu Fraktionsaustritten bei den Regierungsparteien SPD und FDP führte, so dass diese die Mehrheit im Deutschen Bundestag verloren. Die Neuwahlen 1972 stärkten sowohl die SPD als auch Scheels FDP und bewiesen die hohe Akzeptanz der sozialliberalen Politik. Sehr große Bekanntheit erlangte Walter Scheel 1973, indem er zugunsten der Behindertenhilfsorganisation Aktion Sorgenkind das deutsche Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ auf Schallplatte sang. Allein bis zum Frühjahr 1974 wurde die Platte über 300.000 Mal verkauft. Auch noch während seiner später folgenden Amtszeit als Bundespräsident erlangte er mit dieser Art der ungewöhnlichen und gemeinnützigen Spendenwerbung hohe Popularität.
Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Brandt am 7. Mai 1974 nahm Scheel auf Bitten des Bundespräsidenten die Amtsgeschäfte des Bundeskanzlers wahr, bis Helmut Schmidt am 16. Mai 1974 zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Am selben Tag schied Scheel aus dem Bundeskabinett aus.
Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1974 am 15. Mai 1974 wurde er mit 530 Stimmen von SPD und FDP in der Bundesversammlung gegen Richard von Weizsäcker (CDU, 498 Stimmen) zum vierten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt und trat am 1. Juli 1974 sein neues Amt an.
Als Bundespräsident verweigerte er 1976 einem Gesetz zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern seine Unterschrift, da er die Zustimmung des Bundesrates für notwendig erachtete.
Für die Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1979 stellte er sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nicht erneut zur Verfügung und schied am 30. Juni 1979 aus dem Amt.
Seine Amtszeit als Bundespräsident wird rückblickend ambivalent beurteilt. Man warf ihm vor, dass er keinen großen Entwurf parat gehabt habe, wie er das Amt auszufüllen gedenke. Sein feinerer Lebensstil und eine prachtvollere Ausstattung von Dienstsitz und Zeremoniell unterschieden sich deutlich von dem seiner puristischeren Vorgänger und wurden daher – insbesondere zu Beginn seiner Amtszeit – teilweise kritisiert. Lob bekam Scheel für seine offene und optimistische Art.
Sein Büro unterhielt der ehemalige Bundespräsident bis 2014 im Rathaus seines Wohnortes Bad Krozingen. Das Büro wurde zum 1. August 2014 geschlossen, auch der Leasingvertrag seines Dienstwagens wurde vom Bundespräsidialamt nicht verlängert. Scheels Büroleiter leitete die Geschäfte seither vom Bundespräsidialamt in Berlin aus.
Ehrenämter
Von 1967 bis 1974 war Scheel stellvertretender Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, 1979 wurde er deren Kuratoriumsvorsitzender; seit 1991 war er Ehrenvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Von 1980 bis 1985 war er Vorsitzender der Bilderberg-Konferenz und von 1980 bis 1989 Präsident der Europa-Union. Im Jahre 1978 wurde Scheel Vorsitzender des Kuratoriums der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der neutestamentlichen Textforschung, das die Arbeit des Instituts für Neutestamentliche Textforschung in Münster fördert. 1979 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung; dies nahm Thomas Bernhard zum Anlass, aus dieser auszutreten. Von 1995 bis 2000 war Scheel 1. Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, einer Bundesstiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. In Nachfolge von Theodor Heuss und Carlo Schmid war Scheel seit 1980 Ehrenpräsident des Deutschen Künstlerbundes. Von 1980 bis 1985 war Walter Scheel Präsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung, dessen Ehrenpräsident er bis zu seinem Tod war.
Scheel war Ehrenvorsitzender des Kuratoriums von Plan International und Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft.
Außerdem war er Schirmherr der Darul-Aman Stiftung, die den Wiederaufbau des Darul-Aman-Palastes als zukünftiges Parlamentsgebäude von Afghanistan fördert.
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
1971 wurde Scheel der Theodor-Heuss-Preis und das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik verliehen, 1974 folgte der Orden wider den tierischen Ernst. 1977 wurde er mit dem Karlspreis und der Collane des Ordens de Isabel la Católica ausgezeichnet, nachdem er schon 1970 das Großkreuz erhielt. Walter Scheel ist seit 1976 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Solingen, seit 1978 von Berlin und Bonn, seit 1979 von Düsseldorf und seit 2006 von Kranichfeld. Im Jahr 2000 erhielt er die Reinhold Maier-Medaille. 1973 erhielt er das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und mit der Wahl zum Bundespräsidenten als Amtsinsignie die Sonderstufe des Großkreuzes.
Scheel war Ehrendoktor der Universitäten Georgetown und Maryland (beide USA), Auckland (Neuseeland), Bristol (Großbritannien) und Heidelberg.
Walter Scheel wurde mit über 60 internationalen Orden ausgezeichnet.
Sonstiges
1969 wurde Scheel als Krawattenmann des Jahres ausgezeichnet.
Sehr bekannt wurde Walter Scheels musikalischer Auftritt mit dem Volkslied Hoch auf dem gelben Wagen, das er zusammen mit zwei Düsseldorfer Männergesangvereinen aufnahm. Die Aufnahme wurde am 6. Dezember 1973 in der Fernsehshow Drei mal Neun aufgeführt; im Januar 1974 belegte das Lied Platz fünf der bundesdeutschen Musikcharts.
1987 moderierte er die Pilotfolge der ZDF-Talkshow live.
2006 sang Scheel mit einem Chor das erwähnte Lied in einer Fernsehshow des Moderators Gunther Emmerlich. Scheel war dort zu Gast, weil ihm von Hans-Dietrich Genscher ein Preis überreicht wurde.
Am 26. Mai 2011 verlieh das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstmals den Walter-Scheel-Preis für Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit.
Ursache: wikipedia.org
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