Memorandum des Lettischen Zentralrats Riga, den 17.März 1944
Übersetzung aus dem Lettischen
Memorandum des Lettischen Zentralrats Riga, den 17.März 1944
An den Generalinspekteur der Lettischen Legion Herrn R. BANGERSKIS
Hochgeehrter Herr General!
Der Feind aus dem Osten nähert sich Lettland wieder bedrohlich. Das ist derselbe Feind, dessen Streitkräfte die Republik Lettland am 17. Juni 1940 besetzt haben, dieselbe Macht, die bald nach der Okkupation ein Wahlgesetz des lettischen Parlaments (Saeima) scheinbar im Namen unseres Volkes erlassen hat. Später wurde aber dieses der Form nach demokratische Wahlgesetz nicht beachtet und grob verletzt, indem nur eine Wahlliste der Kommunisten und ihrer Anhänger zu den Wahlen zugelassen wurde und auch die Wahlergebnisse gefälscht wurden. Das Ergebnis konnte natürlich keine Volksvertreter hervorbringen, sondern nur die Ernannten der russischen Okkupationsmacht. Diese Ernannten entschieden und baten die Sowjetunion, die unabhängige Republik Lettland in die UdSSR aufzunehmen. Danach wurde der ganzen Welt bekannt gegeben, dass die Republik Lettland freiwillig der Sowjetunion beigetreten sei. Zu derselben Zeit passierte das Gleiche mit den Republiken Estland und Litauen.
Der gewaltsame Anschluss der Republik Lettland an die Sowjetunion wurde unter grober Verletzung der Verfassung Lettlands (Satversme) durchgeführt. Hierbei wurden die beidseitigen Verträge, der Pakt des Völkervereins und eine ganze Reihe von internationalen Verträgen gebrochen. Der Anschluss Lettlands an die Sowjetunion ist auch nach internationalem Recht nicht anerkannt worden.
Aus dem Gesagten folgt unbestritten, dass die Republik Lettland nach internationalen Rechtsnormen immer noch besteht und die offizielle Ansicht der sowjetischen Führung und Presse sowie der ausländischen Zeitungen, dass Lettland ein Bestandteil der Sowjetunion sei und deswegen wieder in die Sowjetunion zu integrieren sei, gar keine rechtliche Grundlage hat. Die praktische Äußerung dieser Stellungnahme lässt sich in den politischen und wirtschaftlichen Handlungen der deutschen Okkupationsmacht erkennen. So eine Stellungnahme ist mit der im Auftrag der deutschen Besatzungsmacht durchgeführten Mobilisierung der Einwohner Lettlands für deutsche Streitkräfte nicht zu vereinbaren. Diese Aktion der deutschen Besatzungsmacht beleidigt unser Volk tief und weckt in ihm eine begründete Unzufriedenheit.
Dem rechtlichen Bewusstsein und der nationalen Selbstwürde der lettischen Nation würde eine Mobilisierung der lettischen Armee für den Schutz des lettischen Staates im Namen der Gesetzesorgane entsprechen. Nur so eine Mobilisierung würde unsere militärische Kraft angemessen gestalten, um deren Kampffähigkeiten bedeutend zu fördern und zu steigern.
Nach unserem Verständnis ist im gegenwärtigen Verlauf des Zweiten Weltkrieges nun wirklich der Moment gekommen, in welchem das Leben und sogar die Existenz unseres Volkes bedroht ist – es ist ein verhängnisvoller Augenblick gekommen: Bestehen oder Nichtbestehen.
Alle Natur- und Menschengesetze verbieten es, unsere Rechte auf Verteidigung zu bestreiten, wenn unsere Nation und ihr Weiterbestehen unter Bedrohung stehen.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse geben wir den Willen und die Bereitschaft des Lettischen Volkes bekannt, die Grenzen mit allen möglichen Mitteln und Kräften gegen den angreifenden Feind zu verteidigen.
Wir, die Unterzeichnenden, erklären im Namen der lettischen Nation unter Berücksichtigung des Gesagten den folgenden einheitlichen Willen unseres Volkes:
1. Die faktische Souveränität der Republik Lettland ist unverzüglich wiederherzustellen.
2. Im Einklang mit der gültigen Verfassung der Republik Lettland (Satversme) aus dem Jahre 1922 ist die Regierung Lettlands auf den Grundlagen einer Koalition zusammenzusetzen, um das ganze Volk um sich zu sammeln.
3. Die nächsten Hauptaufgaben der lettischen Regierung sind folgende: die Wiederherstellung des Staatsapparates und der lettischen Armee, die Verteidigung des staatlichen Territoriums Lettlands gegen die drohenden Angriffe der Sowjetarmee und – soweit das unter Kriegsverhältnissen möglich ist – die Aufnahme von diplomatischen Verbindungen mit dem Ausland und zwar in erster Linie mit solchen Staaten, welche den von uns deklarierten Willen der Nation und die anstehende Aufgabe – die Verteidigung des lettischen Staates – anerkennen.
Nach unserer Ansicht ist auch die Bildung eines engen Bündnisses mit Estland und Litauen, sowie, im Falle eines Einverständnisses der erwähnten Staaten, eine Umbildung dieses Bündnisses in eine Konföderation der Baltischen Staaten zu fördern. Bei der Deklaration der eindeutigen Stellungnahme unseres Volkes über das juristische Bestehen der eigenen Souveränität und den Willen, die faktische Souveränität unseres Volkes zu erneuern sowie das feste Vorhaben, den lettischen Staat mit allen Kräften und allen möglichen Mitteln gegen die Angreifer zu verteidigen, sind wir äußerst beehrt, Sie, hochgeehrter Herr General, zu bitten, die eindeutige Stellungnahme und den unerschütterlichen Willen unserer Nation den Mächten bekannt zu geben, welche die Bedeutung und die Notwendigkeit der faktischen Erneuerung der Republik Lettland objektiv verstehen und bereit wären den Kampf für die Unabhängigkeit des Staates und die Sicherung der Grenzen der Republik Lettland zu unterstützen.
Mit der Unterzeichnung dieser Deklaration haben wir die große Ehre, tiefen Respekt vor Ihnen, hochgeehrter Herr General, zu zeigen.
In der lettischen Hauptstadt Riga, 17.März 1944
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Quellen: news.lv